Gott – Schöpfer oder Grundlage allen Seins?

Die Frage nach Gott ist die wohl tiefgründigste, die sich ein Mensch stellen kann. Ist er der Schöpfer des Universums, der alles mit einem einzigen Akt ins Dasein gerufen hat? Oder ist er viel mehr als das – nicht nur ein „Macher“, sondern die tiefste Realität, die allem zugrunde liegt?

Eine „Spurensuche nach der tiefsten Wirklichkeit“ von David Schuy.

Traditionell sehen die großen monotheistischen Religionen Gott als den Schöpfer: Er ruft das Universum aus dem Nichts ins Dasein. Doch moderne Wissenschaften zeichnen ein anderes Bild. Der Urknall, Quantenfluktuationen und die Kosmologie versuchen, die Entwicklung des Universums ohne eine göttliche Ursache zu erklären.

Aber heißt das, dass das Universum „einfach so“ entstanden ist? Ist es ein Produkt blinder Naturgesetze, ein zufälliges Ereignis? Oder steckt dahinter eine tiefere Realität, die jenseits physikalischer Erklärungen liegt?

Hier setzt ein anderer Gedanke an: Gott muss nicht der Architekt sein, der alles mit einem „Bauplan“ erschafft. Vielleicht ist er vielmehr das Fundament allen Seins, die tiefste Wirklichkeit, die allem Existierenden zugrunde liegt.

Gott als das Sein selbst – Eine alte Idee mit neuer Kraft

Diese Idee ist nicht neu. Der Theologe Paul Tillich sprach von Gott als dem „Ground of Being“, der Grund des Seins. Auch die Mystik vieler Religionen beschreibt Gott nicht als einen „externen Schöpfer“, sondern als die Essenz, die sich in allem manifestiert.

Das bedeutet: Gott wäre nicht eine Wesenheit, die neben anderen existiert – sondern das, was Existenz überhaupt ermöglicht. So wie Licht die Voraussetzung dafür ist, dass wir sehen können, wäre Gott die Voraussetzung für alles, was ist.

Eugen Drewermann: Wissenschaft erklärt das Universum, aber nicht Gott

Der Theologe Eugen Drewermann argumentiert, dass die Wissenschaft vielleicht das „Wie“ des Universums erklären kann, aber nicht das „Warum“. Naturgesetze beschreiben Prozesse – aber sie beantworten nicht die fundamentale Frage:

Warum gibt es überhaupt etwas und nicht nichts?

Drewermann trennt zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und spiritueller Erfahrung. Vielleicht, so seine Idee, ist Gott nicht der Mechanismus hinter dem Universum, sondern die tiefe Sehnsucht des Menschen nach Sinn, Geborgenheit und Liebe.

Doch was, wenn diese Sehnsucht nicht nur eine psychologische Illusion ist? Was, wenn sie tatsächlich eine Antwort auf eine objektive Realität ist – auf eine Wirklichkeit, die wir „Gott“ nennen?

Gott jenseits der Vorstellungskraft – Eine Nahtoderfahrung als Schlüssel?

Eine faszinierende Perspektive auf diese Frage gibt eine Nahtoderfahrung, die ich kürzlich gelesen habe. Eine Frau nähert sich in ihrem Zustand einem Licht und fragt ein Wesen, ob dieses Licht Gott sei. Die Antwort lautet:

„Noch lange nicht.“

Diese Worte sind bemerkenswert. Sie legen nahe, dass Gott nicht einfach eine Erfahrung, nicht einfach eine Vision oder ein helles Licht ist – sondern etwas, das noch jenseits dessen liegt, was der menschliche Geist erfassen kann.

Als die Frau dem Licht näherkommt, spürt sie:

Hier ist Heimat.

Hier ist Liebe.

Hier ist Geborgenheit.

Das beschreibt Gott nicht als einen „Schöpfergott“, sondern als das endgültige Ziel aller Existenz. Vielleicht ist Gott nicht der Baumeister, sondern die Heimat, zu der alles zurückkehrt.

Gott als Ursprung und Ziel – Eine neue Perspektive auf die alte Frage

Wenn wir diesen Gedanken zu Ende denken, ergibt sich eine Synthese:

Gott ist nicht einfach der „Macher“ des Universums, sondern das Sein selbst.

Die Wissenschaft kann den Ursprung des Universums beschreiben, aber nicht seine tiefste Bedeutung.

Gott ist nicht nur eine Idee oder eine Projektion menschlicher Sehnsucht – sondern die Realität, die hinter allem steht.

Vielleicht sind wir deshalb auf der Suche. Vielleicht sehnen wir uns nach Gott, weil wir aus ihm kommen und zu ihm zurückkehren. Vielleicht ist das Universum nicht „erschaffen“ worden, sondern es ist eine Manifestation einer tieferen Wahrheit – einer Wahrheit, die wir Gott nennen.

Und vielleicht ist unsere größte Aufgabe nicht, ihn rational zu begreifen, sondern uns auf den Weg zu machen – in die Richtung jenes Lichts, das „noch lange nicht“ das Ende der Reise ist.

 

Titelfoto: KI-Generiert via „Photoshop“

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