Jim Tucker: Reinkarnation – Auf der Suche nach Beweisen

Reinkarnation: Auf der Suche nach Beweisen | Jim Tucker im Gespräch

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Jim Tucker ist Kinderpsychiater, Professor für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften an der Universität von Virginia (School of Medicine, Charlottesville, USA) und einer der weltweit führenden Reinkarnationsforscher. Er untersucht und prüft seit Jahrzehnten Berichte von Kindern, die offenbar Ereignisse aus vergangenen Erdenleben erinnern. Im folgenden Interview spricht er über seine wichtigsten Erfahrungen und Erkenntnisse.

Herr Tucker, Sie haben eine Professur für Psychiatrie und Neurologische Verhaltenswissenschaften an der Universität von Virginia, und Sie sind derzeit Direktor des Instituts für Wahrnehmungsstudien, DoPS. Sie setzen die Arbeit von Dr. Stevenson fort, der 40 Jahre lang Aussagen von Kindern untersuchte und dokumentierte, die von Erinnerungen von vergangenen Leben berichteten. Sie haben eine Ausbildung in Psychologie an der Universität von North Carolina, Chapel Hill, im Jahr 1982 abgeschlossen. Vier Jahre später haben Sie auch ein Medizinstudium abgeschlossen. Zusätzlich sind Sie in allgemeiner Psychologie und Kinder-Psychologie ausgebildet. In diesem Bereich haben Sie 9 Jahre lang als Generaldirektor einer Kinder- und Familienpsychologischen Klinik gearbeitet. Davor hatten Sie erfolgreich Ihre eigene pädiatrische psychologische Praxis in Charlottesville. Sie sind der Autor des Buchs „Life before Life“, in dem es um die Erforschung der Erinnerungen von Kindern geht, die von vergangenen Leben berichten. Das Buch erschien im Jahr 2005 und Ihr zweites Buch, „Kinder erinnern sich“, wurde von Dr. Wallace kommentiert, dem Präsidenten des Santa Barbara Instituts für Bewusstseinsstudien. Er schreibt: „Jim Tuckers Buch kommt als Weckruf der menschlichen Existenz. Jahrzehntelang haben Materialisten darauf gepocht, dass Bewusstsein nicht mehr ist als eine Funktion des Gehirns oder vom Gehirn erzeugt wird. Aber Faktum ist, dass der Ursprung und die Grundeigenschaften des Bewusstseins ein Mysterium bleiben.“

Herr Prof. Tucker, beginnen wir mit dieser Aussage und der Frage: Resultiert Bewusstsein aus neuronalen Aktivitäten und ist daher ein Nebenprodukt der biologischen Evolution oder steckt mehr dahinter? Wie würden Sie das menschliche Bewusstsein definieren? 

TUCKER: Ich würde sagen, es steckt mehr dahinter. Bewusstsein ist eher ein fundamentaler Aspekt der Realität, der unabhängig vom Gehirn, von der physischen Realität besteht. Es gibt einen Zusammenhang, aber es scheint so, als wäre das Bewusstsein das Primäre und das Physische sekundär.  Unsere Fallbeispiele von Kindern mit Erinnerungen an vergangenen Leben unterstützen diese Ansicht, denn offenbar besteht das Bewusstsein über den Tod des Gehirns hinaus.

Das ist interessant – und weicht natürlich radikal von der naturwissenschaftlichen Lehrmeinung der letzten Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte ab. Dass Bewusstsein primär ist und das Biologische sekundär, lässt sich ja auch aus Berichten von Menschen mit Nahtoderfahrungen ableiten. Pim van Lommel, ein niederländischer Kardiologe, hat darüber ein Buch geschrieben und spricht darin vom „endlosen Bewusstsein“, das nicht ortsgebunden, nicht an Materie gebunden ist. Wenn es also stimmt, dass Bewusstsein mehr als nur Biologie ist, führt das zur Frage: Wo kann die Persönlichkeit eines Menschen gefunden werden? Wie entsteht sie? Benötigt sie nicht doch die Funktionen eines biologischen Gehirns, oder ist sie unabhängig davon? Wie denken Sie darüber?

TUCKER: Ich neige zur Idee, dass es ein größeres Bewusstsein gibt, ein höheres Selbst, das dann das physische Gehirn bewohnt und die Erfahrungen eines Lebens macht, aber eben nicht auf die Lebenszeit des Körpers beschränkt ist. Es existiert davor und danach. Die Erfahrungen, die wir während eines Lebens sammeln, wären demnach nur ein Teil aller Erfahrungen, die das größere Bewusstseins macht. 

Es gibt auch die Idee, dass das ganze Leben eine Illusion sei und auch das Ich nur eine Illusion sei. Wir träumten alles nur. Erfahrungen wären demnach nichts weiter als eine Reihe diskreter Ereignisse, wie es Professor Hameroff formuliert, auch Sir Roger Penrose. Er beschreibt Bewusstsein als eine Reihe von Ereignissen, vergleichbar einem Film, der aus 25 Bildern pro Sekunde besteht. So, wie wir dieses Interview gerade aufnehmen: Es gibt eine bestimmte Anzahl an Bildern, und in unserer Wahrnehmung stellen wir diese dann zu einem einheitlichen Film zusammen. Entsteht so Bewusstsein?

TUCKER: Nun ja, es könnte schwierig werden, über einzelne Begriffe zu sprechen, wenn wir nicht „Persönlichkeit“ oder „Bewusstsein“ klar definieren. Meines Erachtens ergibt sich unsere Realität eher aus Bewertungen und Beobachtungen als aus Wellen und Partikeln. Die fundamentalen Bausteine der Realität sind Erfahrungen. Was den Begriff der Persönlichkeit anlangt: Nun, wir wissen, dass unsere Persönlichkeit von der Vererbung beeinflusst wird, ebenso von Ereignissen in unserem Umfeld, die schon vor unserem Leben stattfanden. Die Frage ist: Sind wir ein komplett ungeschriebenes Blatt, wenn wir geboren werden, oder gibt es eine höhere Persönlichkeit, einen übergeordneten Geist, der entscheidet, wie wir in diesem Leben sind. Die von uns untersuchten Fälle deuten sehr stark darauf hin, dass es einen Aspekt des Geistes gibt, der älter als unsere jetzige Persönlichkeit ist. Vielleicht ist diese Persönlichkeit nur ein Ausdruck oder eine Manifestation des größeren Geistes. Diese Annahme könnte auch für das Gesamtbild stimmen: Die Realität, die jeder von uns erlebt, wäre demnach über weite Strecken nur die Manifestation eines höheren Geistes oder Bewusstseins.

Es ist interessant, dass Sie den Begriff „höheres Bewusstsein“ verwenden. Eine andere Theorie besagt ja auch, dass alles, was wir hier erleben, eine Art virtuelle Realität sei. – Sie betrachten die Erfahrung und den größeren Geist jedenfalls als das Grundlegende, das schon besteht, bevor wir in diese Welt inkarnieren, das vielleicht sogar ewig besteht, und an keinen Ort gebunden ist. Dies könnte eigentlich gut zu der Vorstellung einer Seele passen. Beziehen Sie sich auf diesen Begriff? Wollen Sie darauf hinaus?

TUCKER: Nun, „Seele“ ist ein Begriff, den ich nicht verwenden möchte, da er religiös besetzt ist. Aber ja, wir sprechen hier über eine höhere, die physische Existenz überlebende Instanz. 

Religionen haben seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden von der Seele gesprochen. Die Vorstellung, dass es etwas vor diesem Leben gab, das auch danach weiter bestehen wird, scheint zum Menschsein zu gehören und ist ja bis heute in spirituellem Gedankengut zu finden. Bleiben wir aber auf der wissenschaftlichen Ebene: Sie haben vorhin erwähnt, dass die von Ihnen untersuchten Fälle zu dokumentieren scheinen, dass es ein höheres Bewusstsein gibt. Können Sie über ein paar solcher Fälle mehr erzählen? Was haben Sie entdeckt und warum denken Sie, dass hier etwas Höheres im Spiel ist? 

TUCKER: Bei diesen Fällen handelte es sich typischerweise um sehr kleine Kinder, die ganz spontan von Erinnerungen aus vergangenen Leben erzählten. In den bemerkenswertesten Fällen erzählten sie vom Leben an einem weit entfernten Orten und berichteten über so viele Details, dass es möglich war nachzuforschen und herauszufinden, dass dort wirklich jemand gelebt hat und auch gestorben ist, auf den die Beschreibung zutrifft. Diese Fälle kann man schwer ignorieren. Um ein Beispiel zu nennen: Da war ein vierjähriger Junge namens Ryan Hammons aus Oklahoma im Südwesten der USA – im Alter von drei oder vier Jahren beginnen Kinder übrigens häufig über so etwas zu sprechen. Ryan erzählte von einem früheren Leben in Hollywood. Er flehte seine Mutter an, mit ihm dorthin zu ziehen, da er dieses Leben so sehr vermisse. Schließlich besorgte sie ihm ein paar Bücher über Hollywood, und er entdeckte darin ein Foto aus einem alten Film, aus dem Jahr 1932. Ryan zeigte auf einen Mann auf diesem Foto und sagte, dass er das gewesen sei. 

Aber der Mann auf dem Foto war im Buch nicht namentlich angeführt, und es stellte sich heraus, dass er auch keinen Text in diesem Film zu sprechen hatte. Um also herauszufinden, wer dieser Mann war, nahm Ryans Mutter mit mir Kontakt auf; fragte, ob ich ihr dabei helfen könne. Ryan selbst konnte also von diesem Mann vorher ziemlich sicher nichts gewusst oder erfahren haben. 

Ich traf dann Ryan und seine Familie und begann zu recherchieren. Ryans Mutter schrieb mir oft und berichtete über Ryans Aussagen zu seinem vergangenen Leben. Manche waren sehr speziell –im Hinblick auf einen völlig unbekannten Schauspieler, der keinen Text in dem Film zu sprechen hatte. 

Schließlich konnten wir ihn mit Hilfe einer Hollywood-Archivarin identifizieren. Sie besorgte aus der „Bibliothek für Camera, Filmkunst and Wissenschaften“ alle Unterlagen zu dem Film, der den Titel „Night after Nights“ hatte. Das meiste davon betraf die Stars des Film, aber auf einem Foto war auch der Mann zu sehen, und er konnte identifiziert werden. Sein Name war Marty Martin. 

Wir konnten also Ryans Aussagen mit Fakten aus Marty Martins Leben vergleichen – und fanden fast unheimliche Übereinstimmungen. 

Ryan hatte lediglich das Foto dieses Unbekannten gesehen – und erzählt, dass er auf einer Bühne in New York getanzt habe. – Marty Martin hatte am Broadway getanzt. 

Ryan erzählte, dass er dann nach Hollywood gegangen sei und bei Filmen mitwirkt habe. – Marty Martin hatte tatsächlich für Filme gearbeitet – hauptsächlich als Tänzer.

Ryan sagte, dass er dann mit Menschen arbeitete, die ihre Namen änderten. – Marty Martin hatte eine erfolgreiche Talentagentur gegründet.

Ryan erzählte von einem großes Haus mit einem Schwimmbecken in einer Straße, deren Namen irgendwie „Berg“ oder „Fels“ hieß. – Marty Martin hatte ein großes Haus mit einem Swimmingpool, die Adresse war „Rocksberry Drive“. 

Ryan erzählte sogar davon, wie er im Alter von 62 Jahren gestorben sei. Tatsächlich starb Martin 1964. Laut seiner Sterbeurkunde wäre er aber nur 59 Jahre alt geworden. 

Ich forschte deshalb weiter, sprach mit seiner Tochter und seinem Stiefsohn und bekam dann Aufzeichnungen und Listen zu sehen, aus denen hervorging, dass Marty Martin tatsächlich 62 Jahre alt gewesen sein musste, als er starb. Obwohl auf der Sterbeurkunde 59 stand, hatte Ryan also recht. Alles in allem konnten wir mehr als 50 Aussagen von Ryan nachweisen, die mit Marty Martins Leben zusammenpassten. 

Das ist also ein Beispiel für gut untersuchte Fällen, die nach unserer Meinung von Bedeutung sind. 

Das sind wirklich ziemlich stichhaltige Fakten. Die Todesurkunde mit der falschen Altersangabe, während Ryan das richtige Alter wusste … Dennoch könnten Skeptiker unterstellen, dass die Übereinstimmungen, die Zahlen und Fakten nicht überzeugend seien. Ryan könnte das erfunden haben. Kinder nehmen ja sehr viel auf. Er könnte es doch irgendwo gehört und dann so erzählt haben, als würden die Gegebenheiten ihn selbst betreffen. Was sagen Sie Skeptikern? Wie gehen Sie damit um?

TUCKER: Ja, es könnte auch in diesem Fall Einwände geben. Denkbar wäre zum Beispiel, dass Ryan nur davon gehört hat. Aber als ich zu Beginn nach Marty Martin im Internet suchte, fand ich kaum etwas über ihn. Jetzt, nachdem dieser Fall bekannt wurde, findet man auch mehr über ihn, weil die Leute sich für Marty zu interessieren begannen.

Eine anderer Einwand könnte sein, dass alles nur ein Zufall war. Aber mehr als 50 übereinstimmende Aussagen?

Außerdem haben wir über 2500 Fälle untersucht. Nicht in allen davon gibt es so viele Einzelheiten, aber da sind doch sehr viele Fälle mit detaillierten Informationen, Namen, Orten – und ich glaube nicht, dass Zufall eine brauchbare Erklärung für solche Fälle ist.

Ich verstehe – und bin auch selbst offen für das Konzept der Reinkarnation, obwohl ich vom journalistischen Standpunkt aus kritisch bleiben muss …

TUCKER: … ja, klar!

Es gibt also Fakten, von denen Kinder berichten, die Erinnerungen in sich tragen. Aber was zeichnet diese Kinder aus? Unterscheiden  sie sich von anderen, die keine solchen Erinnerungen haben?

TUCKER: Wir haben Fälle mit Kindern, die diese Erinnerungen haben, näher untersucht. Bei den meisten scheint es so zu sein, dass sie mit ihren Erinnerungen auf die Welt kommen. Wenn sie alt genug sind, um sprechen zu können, beginnen sie diese Dinge zu beschreiben. Wir haben mit den Kindern Tests durchgeführt und konnten keine dissoziativen Störungen, Psychosen oder ähnliches feststellen. Sie schienen keine psychischen Probleme zu haben. 

Bei den Testergebnissen zeigte sich allerdings, dass sie oft sehr intelligent und eloquent sind. 

Es ist auch möglich, dass es Kinder gibt, die zumindest ein paar Erinnerungen hatten, als sie noch sehr klein waren; aber wenn sie diese nicht verbal ausdrücken konnten, dann verblassen sie wieder. Wenn Kinder ihre Erlebnisse verbalisieren können, setzt sich das auch mehr in ihrem Gehirn fest, und es kommt zu mehr Aussagen. 

Wir wissen nicht, ob das bedeutet, dass jeder Mensch vergangene Leben hat, oder dass nur diese Kinder Erinnerungen von vergangenen Leben haben. Die Kinder müssen jedenfalls fähig sein, in relativ frühem Alter sprechen zu können, sonst können diese Erinnerungen verschwinden.

Ich verstehe. Es handelt sich um Kinder, die sich sprachlich gut ausdrücken können und intelligent sind, das sind Charakteristika, die Sie gefunden haben. Aber warum gibt es generell nicht mehr Kinder, die über vergangene Leben berichten? Könnte das damit zusammenhängen, dass unsere Kultur im Allgemeinen nicht offen für das Reinkarnations-Konzept ist? Im Gegensatz zum fernen Osten, wo Dr. Ian Stevenson seine Arbeit begonnen hat? Und ich glaube, Sie folgen zu einem großen Teil seiner Arbeit. Sie konzentrieren sich allerdings mehr auf Fälle in Amerika, während Ian Stevensons Daten vorrangig aus dem fernen Osten stammten, aus einer Kultur also, in der der Reinkarnationsgedanke deutlich weiter verbreitet ist als im Westen. Ist die kulturelle Prägung auch ein Grund dafür, warum die Erinnerungen mit der Zeit verschwinden – weil über so etwas nicht gesprochen wird?

TUCKER: Natürlich spezialisierte sich Ian auf Gebiete, wo er mehr Fälle finden konnte. Als er mit seinen Untersuchungen in den 1960er-Jahren begann, sprachen die Menschen hier nicht wirklich über solche Dinge, in Asien aber schon. Dort lebten viele Kinder bis zum Alter von sechs oder sieben Jahren sogar vorrangig in solchen Erinnerungen. Erst danach beginnt sozusagen ihr neues Leben. Aber sogar dort, wo der Glaube an Reinkarnation weit verbreitet ist, kann dieses Verhalten, dass ein Kind über vergangene Leben spricht, manchmal merkwürdig wirken. Sobald die Kinder zur Schule gehen, möchten sie es vielleicht vermeiden, dadurch Aufmerksamkeit zu erregen. Zudem verlieren wir ja alle unsere Erinnerungen an die frühe Kindheit. Die Erinnerungen eines Zwei- oder Dreijährigen an seine Großeltern zum Beispiel sind im Langzeitgedächtnis vorhanden, aber später, wenn diese Großeltern sterben, erinnern sich die Kinder nicht mehr an das, was sie mit ihnen bis zum Alter von 6 oder 7 Jahren erlebten. Wenn also unsere Erinnerungen an die frühe Kindheit sowieso verblassen, dann würden damit auch die Erinnerungen an vergangene Leben verloren gehen. Allerdings bleiben sie wohl länger erhalten, wenn jemand mehr darüber spricht oder wenn die Kinder eine Beziehung aufbauen. Aber, wie gesagt, frühkindlichen Erinnerungen gehen sowieso verloren. Es sei denn, es gibt diese besonderen Umstände – das Darüber-Sprechen oder Begegnungen.

Wenn Sie sagen, dass jeder Mensch seine Erinnerung an die frühe Kindheit mit dem Alter von etwa 6 oder 7 verliert, dann überrascht das insofern, als es es ja Methoden gibt – Hypnose oder Träume –, mit denen man angeblich auf tief vergrabene Ereignisse zugreifen kann. Die Regressionstherapie befördert den Menschen zurück in vergangene Leben, Hypnose wird verwendet, um Daten zu sammeln. Sind das aus Ihrer Sicht wissenschaftliche Methoden? Haben Sie sie schon einmal angewendet und dadurch glaubwürdige Ergebnisse und Daten erhalten?

TUCKER: Nun ja, keine, auf die man sich wirklich verlassen kann. Wenn Hypnose angewendet wird, um Erinnerungen hervorzurufen, so ist das problematisch, weil diese Methode keine zuverlässigen Aussagen liefert. Es gibt Fälle, bei denen sich Menschen an erstaunliche Details erinnern, an ein Autokennzeichen auf einem Tatort oder ähnliches. Aber es gibt andere Fälle, bei denen das Gehirn Erinnerungslücken einfach selbst füllt. Es ist deshalb im Nachhinein oft schwer zu sagen, ob es sich um eine echte Erinnerung handelt. 

Bei frühkindlichen Erinnerungen hat man herausgefunden, dass unter Hypnose zwar mehr Details zutage kommen, dass diese aber nicht unbedingt stimmen müssen. Und wenn es um vergangene Leben geht, dann ist es normalerweise noch schwerer, eine Bestätigung für die Aussagen zu finden. Wir sind im Allgemeinen ziemlich skeptisch, wenn es um die Rückführung in Vorleben mit Hilfe von Hypnose geht. Ja, gibt hier ein paar beeindruckende Fälle, einige mögen vielleicht therapeutisch relevant sein, aber die Erinnerungen scheinen oft eine Erfindung des Gehirns zu sein.

Was natürlich Wasser auf den Mühlen der Skeptiker ist, die ja behaupten, dass diese Erinnerungen generell Einbildungen sind und niemals verlässliche Informationen liefern. Sie wollten es allerdings genauer wissen und haben die berichteten Fakten kontrolliert, haben die Aussagen der Kinder überprüft – was ja auch Dr. Ian Stevenson getan hat. Und Sie konnten bis jetzt 2500 Fälle dokumentieren. Wenn man Ihre Arbeit und die von Dr. Stevenson zusammennimmt, blicken wir bereits auf eine 50-jährige Forschung zurück, in der Kinder mit Erinnerungen an vergangene Leben untersucht werden. Das ist – ich denke, sogar für Skeptiker – eine doch ziemlich solide Datenbasis. Und wir müssen uns mit den Argumenten der Skeptiker nicht noch eingehender beschäftigen; die Daten sind da, die Quellen sind da. Sie haben Ihr Möglichstes getan, um alle von den Kindern genannten Fakten nachzukontrollieren. Lassen Sie mich noch einmal auf das Thema Erinnerungen zurückkommen. Zusammenfassend: Sie haben gesagt, wir verlieren die Erinnerung an unsere frühe Kindheit. Was dann später durch Rückführungen wieder auftaucht, ist also wahrscheinlich nur ein Produkt der Phantasie. Habe ich Sie damit richtig verstanden?

TUCKER: Wenn es um Hypnose geht, dann ja. Manche Menschen haben Erinnerungsfragmente aus der Zeit, bevor sie fünf Jahre alt waren, aber es sind nicht viele. Und, wie gesagt, wenn die Erinnerung eine Person betrifft, die man schon seit früher Kindheit kennt, zum Beispiel seit dem zweiten Lebensjahr, und mit der man immer noch in Kontakt ist, dann können auch frühere Erinnerungen erhalten bleiben. Manche Menschen erinnern sich sogar an ihre Geburt … 

Ich würde nicht sagen, dass Erinnerungen nicht entschlüsselt werden können, aber frühkindliche Erinnerungen abzurufen ist eben schwer. Und ebenso ist es mit Erinnerungen an frühere Leben, um die es ja in unseren Fällen geht. Es gibt Erwachsene, die behaupten, sich an Begebenheiten eines früheren Lebens erinnern zu können und dass sie diese Erinnerungen schon als kleines Kind hatten. Aber bei Erwachsenen ist oft nicht ganz klar, inwieweit ihre Erinnerungen konstruiert sind.

Wie schon gesagt, wir haben uns auf kleine Kinder spezialisiert, die ganz offensichtlich aktive Erinnerungen haben, und wir wollen herausfinden, ob es sich um echte Erinnerungen oder um Fantasiegebilde handelt. Wenn jemand unter Hypnose aussagt, er habe im antiken Griechenland gewohnt, dann ist so etwas nicht nachweisbar. Skeptiker würden sagen, es handelt sich nur um eine Einbildung. Dagegen kann ich nicht argumentieren. Bei unseren Fällen haben wir aber nicht das Problem, dass sie nicht verifizierbar sind. Ganz im Gegenteil, sie sind auf Grund der Details sehr gut verifizierbar. Sie passen dann zu einem vergangenen Leben, das jemand gelebt hat – und das verlangt natürlich nach weiteren Erklärungen. 

Gibt es in Ihrer Recherchearbeit so etwas wie eine Beweisschwelle? Sie haben vorhin ja erzählt, dass Sie sehr viele Details nachkontrollieren. Gibt es dabei eine Zahl, einen Grenzwert, eine Liste oder Skala, also irgend ein Protokoll, das Sie anwenden um zu sagen: Okay, diesen Fall stufen wir als nachweisbar oder sozusagen als „gelöst“ ein? Welche Methode wenden Sie an?

TUCKER: Es gibt dafür keinen exakt vorgegebenen Weg. Wenn Ian Stevenson von „gelöst“ sprach, dann meinte er damit, dass jemand, der früher gelebt hat, aufgrund der Aussagen eines Kindes identifiziert werden konnte. Aber die dokumentierten Übereinstimmungen variieren von Fall zu Fall. Wir entscheiden dabei nicht mit „Daumen nach oben oder nach unten“. Wir schauen uns einfach die Aussagekraft an. In manchen Fällen gibt es vielleicht nur wenige Aussagen eines Kindes, aber diese sind so spezifisch, dass sie nur zu einer ganz bestimmten Person passen können, die in der Vergangenheit gelebt hat. In anderen Fällen werden alle möglichen Details genannt. Wir beurteilen nicht die Anzahl der Aussagen. Aber wir schauen uns nachprüfbare Aussagen über vergangene Leben näher an und recherchieren auch, ob das Kind auf normalem Weg Zugang zu solchen Informationen erlangt haben könnte. Außerdem konnten wir in manchen Fällen unter kontrollierten Bedingungen testen, ob Kinder Menschen oder Orte aus der Vergangenheit wieder erkennen. 

Zusammenfassend betrachtet sind einige Fälle wirklich sehr beeindruckend, andere sind interessant, aber nicht so erstaunlich. Aber insgesamt, mit Blick auf die stärksten Fälle, ist das alles schon ziemlich überzeugend.

Manche Informationen gelten als so detailreich, dass die Kinder so etwas nirgendwo gelesen oder gehört haben könnten. Könnten Sie hierfür ein Beispiel nennen?

TUCKER: Aus den USA gibt es den sehr bekannten Fall von James Leininger. Der kleine Junge scheint sich daran zu erinnern, dass er ein Pilot im 2. Weltkrieg war, der im Pazifik ums Leben kam. Er nannte den Namen des Flugzeugträgers, von dem er weggeflogen war, Natoma. Er erzählte auch, auf dem Weg nach Iijima gewesen zu sein. Und er sagte, dass er auf dem Schiff einen Freund mit dem Namen Jack Larson hatte. Tatsächlich gab es nur einen Piloten, der während der Operation Iijima an dem Tag, als er getötet wurde, noch im Einsatz war, eben Jack Larson. James kannte auch viele Details über den Flugzeugabsturz, wie der Motor versagte, als das Flugzeug abstürzte, wie es schließlich ins Wasser fiel und rasch unterging. Und genau das passierte bei diesem Absturz tatsächlich. Alle Details passten zusammen. So etwas geht, denke ich, weit über einen Zufall hinaus. Der Pilot starb vor 60 Jahren, es ist überaus unwahrscheinlich, dass dieser kleine Junge Zugang zu solchen Informationen hatte. 

In der Vorbereitung auf dieses Interview habe ich zu diesem Fall gelesen, dass auch ausgeschlossen werden konnte, dass der Junge seine Informationen aus einem Museum hatte. Man ging dorthin und sah sich die Flugzeuge an, die der Junge angeblich in seinem früheren Leben geflogen hatte. Er hätte den Namen dort nicht erfahren können, denn zu dem Zeitpunkt war der Flugzeugtyp nicht ausgestellt. Der Junge hätte es also von daher nicht wissen können …

TUCKER: Ja, das ist korrekt. Er flog eine Corsaire. Einige Leute dachten, der Junge könnte seine Informationen vom Luftfahrtmuseum in Minnesota haben, aber dort gab es keine Informationen über diesen Piloten. Er war nur einer von den Tausenden, Hunderttausenden Menschen, die während des 2. Weltkriegs getötet wurden. Aber der Junge machte sehr spezifische Angaben, nannte Namen und hatte auch fürchterliche Alpträume wegen dieses Flugzeugabsturzes – immer und immer wieder. Das alles verstärkte den Eindruck, dass er selbst dieses vergangene Leben gelebt hatte.

Gibt es bei Kindern, die sich an vergangene Leben erinnern, bestimmte herausragende Merkmale oder Verhaltensmuster, die unüblich für deren Alter sind? Sie haben erwähnt, dass der Junge Alpträume hatte. Andere Menschen zeigen Phobien, für die in ihrem jetzigen Leben keine Ursache zu finden ist. Aber mit Blick auf ein vergangenes Leben ergibt alles einen Sinn und passt zusammen. Natürlich könnten Skeptiker beispielsweise sagen: Der Junge hat Alpträume … na und? Bitte entschuldigen Sie, wenn ich das so ausdrücke. Aber es gibt eben auch Fälle – sowohl in ihrer Arbeit als auch in der von Dr. Stevenson –, die fast unheimlich wirken. Zum Beispiel haben Menschen Muttermale, die auf die Todesursache des vergangenen Lebens hinweisen. Sind Ihnen solche Fakten bekannt? Konnten Sie sie zweifelsfrei verifizieren?

TUCKER: Ja. Bei diesem Thema geht es über beweiskräftige Erinnerungen hinaus, in den physischen Bereich. Ian Stevenson war von diesen Fällen besonders fasziniert. Er hatte sich schon lange mit psychosomatischer Medizin befasst, bevor er sich mit dem Thema vergangener Erdenleben beschäftigte.

Es gibt Menschen, die mit Muttermalen oder sogar Geburtsfehlern auf die Welt kommen, die mit den tödlichen Wunden der Person aus dem vergangenen Leben übereinstimmen. Ian dokumentierte über 200 solcher Fälle – auf mehr als 2000 Seiten. 

Bei den Fällen mit Muttermalen handelt es sich oft um besonders große, verrunzelte oder in anderer Art ungewöhnliche Muttermale. Auch die Geburtsfehler sind besonders auffällig, zum Beispiel geht es um fehlende Gliedmaßen. Wenn immer es möglich war versuchte Ian, an die Autopsieberichte der verstorbenen Personen zu kommen, um festzustellen, ob es Übereinstimmungen gibt. In den Fällen, die sich in asiatischen Dörfern zutrugen, war das nicht möglich, aber er interviewte dort Menschen, die den betreffenden Leichnam gesehen hatten, um herauszufinden, ob es hier Übereinstimmungen gab.

18 Fälle sind uns bekannt, in denen Kinder mit zwei Muttermalen geboren wurden. Einmal stimmte deren Lage genau mit der Eintritts- und Austrittswunde einer Schussverletzung überein. 

Das alles summiert sich zu vielen beeindruckenden Hinweisen, die Ian gesammelt hat. Wir haben auch ein paar amerikanische Beispiele für solche Fälle dokumentiert. 

Erinnerungen kommen im Allgemeinen viel häufiger vor als zusätzliche physische Merkmale, aber diese gibt es eben auch.

Sie haben erzählt, dass Dr. Stevenson versucht hat, Autopsieberichte zu bekommen. Sie haben außerdem erwähnt, dass es dabei nicht nur um Muttermale geht, sondern auch um fehlende Gliedmaßen, die mit Todesursachen in vergangenen Leben in Zusammenhang gebracht werden konnten. Das ist meines Erachtens sehr interessant. Aber was sagen Sie als Wissenschaftler mit einem medizinischen Universitätsabschluss dazu? Wie kann sich so etwas im Körper manifestieren? Wir wissen doch heute über den Einfluss der Gene Bescheid, die wir von unseren Vorfahren erben. Widersprechen die erwähnten Zusammenhänge nicht allem, was wir über DNS und Genetik wissen? Wenn unsere körperlichen Merkmale von der biologischen Familie ererbt sind – woher sollen dann die Information für ein Muttermal oder für Geburtsfehler kommen? Und wie werden solche Informationen vermittelt? Können Sie sich physische oder genetische Prozesse vorstellen, die dazu führen, dass jemand auf Grund seines Vorlebens mit Defekten geboren wird? Haben Sie irgendeine Vorstellung davon, wie das zustande kommen könnte? 

TUCKER: Muttermale und Geburtsfehler sind nicht notwendigerweise an die Gene gebunden. Den Prozess für deren Zustandekommen kennt man manchmal nicht genau. Aber die grundlegende Vorstellung ist – ich habe ja bereits die Psychosomatik erwähnt –, dass der Geist den Körper beeinflussen kann, und manchmal geht es dabei um sehr spezifische Effekte. Ich habe vorhin die Hypnose erwähnt – als Negativbeispiel, was den Zugriff auf Erinnerungen anlangt. Aber es sind Fälle dokumentiert, bei denen besonders empfindsame Menschen, denen zum Beispiel suggeriert wurde, sie würden ein heißes Objekt berühren, allein dadurch Brandwunden entwickelten. 

Geschah das unmittelbar?

TUCKER: Ja.

Also hat das Unterbewusstsein zu einer sofortigen Manifestation geführt?

TUCKER: Ich müsste nachlesen, wie schnell genau sich diese Brandwunden bildeten, aber die Entwicklung zeigte sich sehr schnell. Und das verdeutlicht die Kraft, mit der der Geist auf den Körper Einfluss nehmen kann. Man könnte im Hinblick auf unsere Fälle schließen: Wenn jemand gewaltsam ermordet wurde, können die traumatischen Erinnerungen Teil seines Bewusstseins bleiben, das nach dem Tod weiter besteht und dann einen sich neu entwickelnden Fötus beeinflusst – ähnlich wie durch Hypnose sichtbare Effekte auf den Körper erzielt werden können. Allerdings handelt es sich um einen bleibenden Effekt, der später nicht wieder verschwindet, wie im Fall einer Brandwunde. 

Ich verstehe. Die Schlussfolgerung ist also, dass der Geist die Materie informiert, und zwar eben bis hin zum genetischen Code eines Lebewesens. Stimmen Sie dieser Zusammenfassung zu?

TUCKER: Nicht unbedingt, was den genetischen Code betrifft. Vielleicht sind hier epigenetische Codes am Werk, die mit entscheiden, ob ein Gen ein- und ausgeschalten wird. Aber es ist weithin bekannt, dass der Geist einen Einfluss auf den Körper hat. Wenn wir nervös werden, schlägt zum Beispiel unser Herz schneller. Dieses Wissen, dass es eine Verbindung zwischen Geist, Gehirn und Körper gibt, ist weit verbreitet. Die Frage ist aber: Wie einflussreich und weitgehend ist diese Verbindung? Und wenn es geistige Aspekte gibt, die auf ein früheres Leben zurückzuführen sind, inwieweit beeinflusst das den Körper?

Damit verbunden ist doch auch die Frage, wo solche Information gespeichert sind. Wenn sie nicht aus Gehirn und Körper stammen, ist hier vielleicht ein höheres Bewusstsein am Werk, das nicht an Materie oder irgendetwas Physisches gebunden sein muss? Was wäre die Natur dieses Bewusstsein?

Es müsste etwas außerhalb unserer Raum-Zeit-Realität sein. Ich denke, es gibt eine Welt des höheren Bewusstseins, die völlig anders ist. Es gibt diese Überschneidung: Während des physischen Lebens erlebt der Geist Raum und Zeit, aber wenn wir sterben, dann erlebt er eine andere Art von Realität.

Das deckt sich mit den Aussagen von Menschen, die Nahtoderfahrungen hatten und berichten, dass sie dabei plötzlich Zugang zu einer größeren Realität fanden. Sie kommen oft mit neuen Talenten und Fähigkeiten zurück, die sie im Normalfall nicht entwickelt hätten, oder sie erleben die spontane Heilung von Krebs oder ähnliches. 

Es gibt also einige Hinweise darauf, dass ein solches höheres Bewusstsein Faktum ist und zu unserem geistigen Ursprung gehört. Aber wir haben immer noch Mühe, das Wesen des Bewusstsein zu verstehen, das wir in unserem Leben erfahren.

Nun scheint es so, dass die Quantenphysik einige Ausblicke und Erklärungsansätze bietet. Ich möchte dieses Thema, das ja außerhalb Ihrer Expertise liegt, hier nicht vertiefen. Aber denken Sie grundsätzlich, dass die Quantenphysik Hinweise auf die Eigenschaften des Bewusstseins liefert, individuell und über das Persönliche hinausgehend? Ich habe diesbezüglich ja schon die „Reihe diskreter Ereignisse“ angesprochen, wie Hameroff und Penrose das nennen. Deren Theorie zufolge gibt es einen Zusammenhang zwischen dem in der Quantenphysik diskutierten Kollaps der Wellenfunktion und den bewussten Erlebnissen, die wir als hier inkarnierte Wesen erfahren. 

Und Sie haben früher in Ihrem Interview gesagt, dass die Umwelt und persönliche Erfahrungen eine wichtige Rolle spielen. Wie fügen Sie all diese losen Enden zum Thema Bewusstsein zu einem größeren Bild zusammen?

TUCKER: Nun ja, Quantenphysik ist ein Feld, das niemand wirklich so ganz versteht, und es gibt viele Interpretationen zu den Beobachtungen in der Quantenmechanik. Manche sagen ja, dass es ebenso viele Interpretationen wie Quantenphysiker gibt. Wir haben nicht alle Antworten. Aber ich denke, was diesen einen Bereich anlangt, den Sie erwähnt haben, den Kollaps der Wellenfunktion, dass hier die Rolle des Bewusstseins deutlich wird, weil allein die Beobachtung die Welle zum Kollabieren bringt. Das ist erstaunlich. Und es scheint nicht nur um die Beobachtungen während des Experiments zu gehen, sondern auch um die Vergangenheit. Denn noch bevor die Dinge beobachtet werden und sich manifestieren, haben sie schon unterschiedliche Potentiale. Das größere Gesamtbild zeigt meines Erachtens, dass nicht die physische Realität das Primäre ist, aus dem Bewusstsein hervorgeht, sondern dass Geist und Bewusstseins das Primäre sind. Und daher gibt es, was das individuelle Bewusstsein anlangt, keinen Grund für die Annahme, dass es verloren geht, nur weil das physische Gehirn stirbt. Das Bewusstsein ist ultimativ das Fundamentale.

Kommen wir doch noch einmal kurz auf die physische Ebene zurück. Hameroff verortet die Quantenzustände in den sogenannten Mikrotubuli im Körper. Demnach gibt es davon viele im Gehirn, aber eben nicht nur dort, sie sind im gesamten Zellgewebe des Körpers. Was sagen Sie als Mediziner dazu? Stimmt das? Hat er Recht? Gibt es eine biologische Infrastruktur, wenn ich sie mal so nennen darf, die Quantenzustände ermöglicht? Gibt es Informationssysteme, die vielleicht sogar für eine gewisse Zeit über den Tod hinaus wirken, wie Hameroff meint? Können Sie diese Theorie mit ihren eigenen Forschungen in Einklang bringen?

TUCKER: Ich kenne die Theorie zu den Mikrotubuli im Speziellen nicht. Für mich sind die mechanischen Details auch weniger interessant als das größere Gesamtbild, also welchen Stellenwert Bewusstsein in der Realität einnimmt. 

Ich muss erwähnen, ich habe mich zur Vorbereitung auf dieses Interview ein wenig in Ihre Biographie eingelesen. Sie südbaptistisch erzogen worden, also in Sinn einer der größeren christlich geprägten Religionsgruppen in den USA an. Ist das richtig?

TUCKER: Ja, das ist eine protestantische Glaubensgemeinschaft.

Zu den bedeutendsten religiösen Konzepten gehört die Vorstellung, dass die menschliche Seele und ein höheres Bewusstsein schon vor der Inkarnation existieren. Wir kommen demnach von irgendwo her, aber wir müssen eine Schuld abarbeiten, Schicht für Schicht. Sind Sie mit solchen Gedanken jemals in Konflikt geraten, weil ihre Arbeit andere Schlüssen nahe legt? Wie stehen Sie dazu?

TUCKER: Es ist richtig, dass ich baptistisch aufgewachsen bin, aber ich praktiziere diesen Glauben nicht. Ich sehe mich heute eher in der Kategorie „spirituell, aber nicht religiös“. Unsere Arbeit steht im Einklang mit einer spirituellen Weltsicht – es gibt mehr als nur die physische Welt, physische Wesen. Spiritualität ist ein Teil von uns. Aber es geht nicht darum, das Christentum zu widerlegen. 

Wissenschaft, Religion und Spiritualität müssen nicht im Widerspruch zueinander stehen oder sich gegenseitig widerlegen … würden Sie dem zustimmen?

TUCKER. Natürlich kommt es vor, dass sich bestimmte Aussagen widersprechen. Wie etwa, dass die Welt buchstäblich in sieben Tagen erschaffen wurde. Das ist wissenschaftlich falsch. Aber in einem Gesamtbild bewegen sich spirituelle Vorstellungen in anderen Bereichen als die Aussagen der Wissenschaft. 

Abschließend: Woran forschen Sie derzeit? Woran arbeiten Sie im DoPS – und welche Visionen gibt es im „Department of Perceptional Studies“, dem Institut für Wahrnehmungsstudien der Universität von Virginia, für die Zukunft? Wie möchten Sie Ihre Forschungen fortsetzen?

TUCKER: Im DoPS haben wir verschiedene Forschungsbereiche. Meine Arbeit betrifft die Reinkarnation, Bruce Greyson ist ein weltweit führende Wissenschaftler im Bereich von Nahtoderfahrungen. Wir haben auch ein Forschungslabor, in dem wir die unterschiedlichsten Dinge untersuchen, zum Beispiel, was im Gehirn passiert, wenn jemand übersinnliche Erlebnisse hat. Wir wollen alle diese Arbeiten fortsetzen. 

Mich selbst interessieren vor allem aussagekräftige Fälle aus den USA. Das ist ein wichtiger Schlüssel für die Anerkennung dieses Themas. Ich habe ein paar solcher Fälle erwähnt, wie etwa Ryan und James, aber wir kennen bereits 50 solche „starken Fälle“, die unbestreitbar sind. Wir werden uns auch weiterhin darauf konzentrieren, typische Muster in diesen Fällen zu entdecken und verschiedene Aspekte herauszuarbeiten. Aber eben darum wird es weiterhin gehen: diese starke Fälle zu untersuchen. 

Betrifft die Arbeit auch die Schnittstellen des Geistes und der Materie, also des Körpers – wie sie sich gegenseitig beeinflussen?

TUCKER: Ja, das macht auf jeden Fall das Labor. Ich setzte das auf theoretischer Ebene fort und versuche zu einem Gesamtbild zu gelangen. Das ist auch das Thema meines zweiten Buches. Die Fälle stehen im Zentrum, aber ich denke, es ist auch ziemlich interessant herauszufinden, was sie in ihrer Gesamtheit aussagen.

Professor Tucker, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Gespräch genommen haben und bereit waren, sich von unseren Fragen löchern zu lassen. Ich wünsche Ihnen einen schönen verbleibenden Tag – und vielleicht können wir das Gespräch in der Zukunft einmal fortsetzen. Vielen Dank!

TUCKER: Ich danke Ihnen!

 

Interview: Werner Nieke
Übersetzung: Katrin Salhenegger-Niamir
Redaktion: Werner Huemer

 

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