Peter und Elisabeth Fenwick: Die Kunst des Sterbens

Peter Fenwick gehört zu den bedeutendsten Sterbeforschern unserer Zeit – gemeinsam mit Persönlichkeiten wie Pim van Lommel (Niederlande) oder Raymond Moody (USA). Sein wichtigstes Werk, „Die Kunst des Sterbens“ (Originaltitel: „The Art of Dying“), das er gemeinsam mit seiner Frau Elizabeth verfasst hat, ist nun auch in deutscher Sprache erhältlich. Absolut empfehlenswert!

Wer sich für Nahtoderfahrungen, Sterbebettvisionen und andere Bewusstseinsphänomene interessiert, findet mit diesem Buch ein ebenso informatives wie gut lesbares Standardwerk zur Thanatologie – und gleichzeitig eine Art Leitfaden dafür, wie es gelingen kann, einen „guten Tod“ zu sterben. Denn die vielen Gespräche mit Pflegekräften und Sterbenden, die Fenwick seiner Arbeit zugrunde legen konnte, zeigen nicht nur, dass und warum es offenbar tatsächlich eine Seele gibt, die nach dem Tod weiterlebt. Sie führen auch zum Schluss, dass das Sterben eine hohe Kunst ist, die eng mit der Kunst des Lebens, der Lebensführung, zusammenhängt. 

Peter Fenwick bietet mit seinem Werk eine wohl einzigartige Sammlung von gut dokumentierten Erfahrungsberichten – Sterbebett-Koinzidenzen, Visionen von Licht und Dunst, stehengebliebene Uhren, die den Todeszeitpunkt des Menschen zeigen usw. Er zieht wichtige weltanschaulichen Schlüsse – vor allem zu den Themen Seele und Bewusstsein. Und er gibt Impulse zur Vorbereitung auf die „Reise nach Anderswo“, die vermutlich jeden Menschen im Grunde seines Herzens interessieren werden. 

Das lesenswerte, gut verständlich und ohne ohne wissenschaftliche Abgehobenheit formulierte Lebenswerk eines Wissenschaftlers, der selbst „vom Saulus zum Paulus“ wurde.

Im nachfolgenden Interview erzählt Peter Fenwick, wie es mit seinen thanatologischen Forschungen begann und was den Leser in seinem Buch (Bezugsquelle: hier) erwartet:

 

Herr Dr. Fenwick, Sie sind Neurophysiologe und Neuropsychiater und bekannt für Ihre Studien sowohl zur Epilepsie als auch zu Nahtoderfahrungen. Unter dem Titel „Die Kunst des Sterbens“ erschien kürzlich in deutscher Sprache ein lesenswertes Buch von Ihnen. Für alle, die noch wenig vom Thema wissen und glauben, dass Nahtoderfahrungen so etwas wie Träume oder Halluzinationen sind – was sagen Sie dazu?

FENWICK: Vor langer Zeit war ich absolut der gleichen Ansicht. Ich dachte, diese Dinge seien alle Unsinn und kein Thema für die Wissenschaft. Ich dachte eigentlich, das sei ein typisch amerikanisches Thema, das es nicht über den Atlantik schaffen würde. Aber eines Tages kam jemand in meine Praxis, der eine Nahtoderfahrung gehabt hatte. Eine Herzkatheter-OP war schief gegangen, und er fand sich über sich selbst schwebend wieder, schaute auf seinen Körper, schaute auf das Chaos, das sich im OP-Saal abspielte, weil sein Herz stehen geblieben war. Dann ging er durch den oft beschriebenen Tunnel und gelangte in einen Garten, eine Art englischer Garten. Er durchlebte viele Phänomene einer Nahtoderfahrung. 

Ich beschloss, mir das Ganze genauer anzuschauen um herauszufinden: Lügt dieser Mensch? Nein, das tat er sicherlich nicht! Bildet er sich das ein? Nein, denn man konnte mit ihm vernünftig reden und überprüfen, was er sagte. 

Wenn er es sich also nicht einbildet und auch nicht lügt, was war es dann? 

Nun, es könnte eine echte Erfahrung sein. Aber wenn es sich tatsächlich um ein so starkes Erlebnis handelt, dann sollten noch andere Veränderungen bei ihm feststellbar sein – in der Art und Weise, wie er nach dieser Nahtoderfahrung über die Welt denkt, und insbesondere, wie er nun über den Tod denkt. 

Als ich ihn fragte, ob er Angst vor dem Tod habe, sagte er: „Absolut nicht. Ich habe ihn erlebt. Ich kenne ihn. Es gibt nichts Beängstigendes daran.“

Dann fragte ich ihn nach spirituellen Fähigkeiten, die manche Menschen mit Nahtoderfahrungen entwickeln. Er erzählte, ein bisschen telepathischer geworden zu sein, und manchmal auch künftige Ereignisse vorhersehen zu können.

Seine Wahrnehmung hatte sich also in einer Art verändert, wie es nur geschehen kann, wenn einem Menschen etwas sehr Gravierendes passiert.

Ich musste also erstmals akzeptieren, dass Nahtoderfahrungen real sind. 

1987 wurde ich dann von der BBC gebeten, eine Sendung über Nahtoderfahrungen zu co-moderieren, was ich auch getan habe. Es war damals das erste Mal, dass Nahtoderfahrungen in der BBC diskutiert wurden. Nach der Sendung bekamen wir über 2.000 Briefe. Erinnern Sie sich an diese Dinger, die man zerreißt, wenn man sie öffnet? Die gibt es jetzt kaum mehr, nur noch dieses ganze Klick-Zeug … jedenfalls bekamen wir 2.000 Briefe. Und das bedeutete, dass ich eine sehr, sehr umfangreiche Datensammlung zur Verfügung hatte. Denn die meisten Zuschriften kamen von Menschen, die Nahtoderfahrungen hatten, und ich konnte für meine Studie eine ganze Menge Dinge über solche Erfahrungen herausfinden, die vorher nicht so gut bekannt waren. An die 500 Zuschriften, die wir für die besten hielten, schickten wir einen Fragebogen, um so unsere Daten zu standardisieren. Die Antworten haben wir dann ausgewertet.

Das Erste, was wir herausfanden, war, dass Nahtoderfahrungen während eines Herzstillstandes auftreten können, wobei sie sich nicht unbedingt nur bei Herzstillständen ereignen. Wenn man eine so große Bandbreite an Erfahrungen vor sich hat, erkennt man sogar, dass sich Nahtoderfahrungen in fast jeder Lebenssituation ereignen können. 

Sie können in der Schwangerschaft auftreten, während der Geburt, wenn der Blutdruck abfällt. Sie können während einer schweren Krankheit auftreten und auch, wenn jemand extrem verängstigt ist, das sind sogenannte Todesangst-Erfahrungen. Daneben gibt es noch eine Reihe von Erfahrungen, die eher ins Mystische gehen. Mystische Nahtod-Erfahrungen können auch auftreten, wenn jemand zu Hause in seinem Zimmer vor dem Kamin sitzt. 

Es gab also eine breite Palette von Möglichkeiten für eine Nahtoderfahrung, und wir erkannten damit auch, dass es für eine Theorie, die Nahtoderfahrungen erklären soll, unzureichend wäre, nur Herzstillstände zu betrachten. 

Damit war klar, dass wir uns in den weiteren Untersuchungen darauf konzentrieren müssen, in welchem Zustand sich das Gehirn während des Ereignisses befindet. 

Wenn Menschen einfach nur krank oder verängstigt sind, weiß man das nicht. 

Wenn jemand aber einen Herzstillstand hat, dann schaltet das Gehirn komplett ab und wir wissen genau, in welchem Zustand es sich befindet. Deshalb haben wir uns damals für die Untersuchung von Menschen mit Herzstillstand entschieden – was vielleicht auch der Grund ist, warum viele Menschen Nahtoderfahrungen mit einem Herzstillstand in Verbindung bringen. 

Tatsächlich aber gibt es dieser Zusammenhang nicht zwingend. Die Ursachen für eine Nahtoderfahrung können vielfältig sein.

Sie haben also beschlossen, Menschen zu untersuchen, die einen Herzstillstand erlitten hatten. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

FENWICK: Nun, zunächst einmal konnten wir einige Fragen mit Hilfe unseres großen Datenpools klären: Welche Umstände können zu einer Nahtoderfahrung führen? Wie beginnt sie? Und wir konnten die Häufigkeit einzelner Aspekte von Nahtoderfahrungen ermitteln. 

Etwa 10 Prozent der 500 Zuschriften hatten von einem Herzstillstand berichtet, die anderen hatten andere, nicht vergleichbare Umstände angegeben. 

Als aber durch die BBC-Sendung bekannt wurde, dass ich mich für Nahtoderfahrungen interessiere, schrieben mir viele weitere Menschen. Damit war ich dann in der Lage, sehr spezifische Fragen zu stellen. 

Auf diese Art kam unsere Forschung voran.

Zu welchen Ergebnissen haben Ihre Forschungen geführt?

FENWICK: Es zeigten sich in der Untersuchung der Nahtoderfahrungen ähnliche Ergebnisse wie sie in der Literatur zu finden sind: Sie können sich in fast jeder Situation ereignen, aber in der Regel kommt es zu einer Störung im Gehirn. 

Eine oft gestellte Frage lautet: Handelt es sich um Halluzinationen?

Nun, was ist eine Halluzination? 

Eine Halluzination ist eine Erfahrung, die von innen ausgeht. Eine Nahtoderfahrung Halluzination zu nennen, sagt in Wirklichkeit also gar nichts aus. 

Geht man hingegen von einer Bewusstseinsveränderung aus, die in Verbindung mit einer Veränderung im Blutkreislauf auftritt, dann kommt man dem Phänomen schon näher. Denn denn geht es um die Frage, auf welche Art sich der Blutfluss verändert. Wie entwickeln sich solche Veränderungen weiter? 

Das war ein Bereich, mit dem wir uns befassten. 

Während der weiteren Forschungen wurde mir dann klar, dass die Annahme, Nahtoderfahrungen seien ein echtes Phänomen und nicht nur etwas, das Menschen sich ausdenken oder einbilden, also keine Halluzination ohne echte Ursache, dass diese Erfahrungen auch ein Modell für den Sterbeprozess sein könnten. 

Dies führte mich zu einem weiteren Themenbereich, den wir uns näher ansahen, nämlich: Wie wir sterben.

Damals, im Jahr 2003, war über dieses Thema noch sehr wenig bekannt. Es gab global etwa vier oder fünf wissenschaftliche Veröffentlichungen, und ich untertreibe nicht. 

Wenn man also lediglich fünf Studien darüber kannte, was passiert, wenn der Mensch stirbt, konnte man schon als internationale Autorität in dieser Frage gelten. Es gab erstaunlich wenige Daten zu dem Thema, und wir wollten uns neue beschaffen.

Also gingen wir zur Ethikkommission und sagten: „Wir würden gerne mit Patienten sprechen, während sie im Sterben liegen. Wir vermuten, dass in dieser Phase eine Menge interessanter Phänomene auftreten“. 

Die Ethikkommission antwortete: „Nun, möglicherweise sind Sterbenden nicht in der Verfassung, solche Fragen zu beantworten. Aber warum befragen Sie für Ihre Studie stattdessen nicht die Pfleger?“

Das war für uns ein Glücksfall, denn als wir in Hospize gingen – wir schauten uns Hospize in Südengland und Hospize in Rotterdam zum Vergleich an –, stellten wir fest, dass auch das Personal uneinig bei diesem Thema war. 

Auf der einen Seite gab es medizinisches Personal, das erklärte: „Diese Dinge passieren in unserem Hospiz nicht“. Auf der anderen Seite gab es die Pflegekräfte, die alle Phänomene von Nahtoderfahrungen gut kannten. Sie konnten wir genau darüber befragen, was sie erlebt hatten. 

Diese Aufzeichnungen wurden dann wirklich sehr wichtig, denn die Ablehnung war beim ärztlichen Personal groß, wenn es um die Phänomene während des Sterbeprozesses ging. 

Als ich einmal den Mitarbeitern eines Hospizes ein Feedback über das gab, was wir gefunden hatten, fragte mich der Leiter dieses Hospizes, der Chefarzt: „Peter kann es sein, dass du die Daten verwechselt hast, dass sie von einem anderen Hospiz sind? Das, worüber du sprichst, gibt es bei uns hier nicht!“

Tatsache war jedoch, dass die Daten aus seinem Hospiz stammten. Es hatte ihm aber nie jemand etwas über die Phänomene berichtet, weil er nicht daran interessiert war. Wäre er darauf hingewiesen worden, hätte er gar nicht erst zugehört.

Sind Krankenschwestern und Pfleger allgemein eher an Todesnähe-Phänomenen interessiert als Ärzte?

FENWICK: Das ist eine sehr gute Frage. Sie hat zwei Komponenten. Man denkt in der Medizin oft noch mehr oder weniger wie in der alten Wissenschaft der Renaissance: Alles ist materiell, spirituelle Erfahrungen kommen nicht vor. Und wenn doch, dann sind es Halluzinationen. 

Für diese Art von Wissenschaft sind Todesnähe-Phänomene von sehr geringem Interesse. Daher stellt sie auch keine Fragen dazu oder wendet sich überhaupt dagegen. Zumindest war es damals so; die Dinge haben sich inzwischen geändert. 

Wenn Krankenschwestern damals solche Themen zur Sprache brachten, wurden sie abgewiesen. Und, was noch schlimmer ist, auch Patienten, die von ihren Erlebnissen berichtet, wurden vom medizinischen Personal abgespeist: „Oh, keine Sorge, da spricht das Morphium!“ Oder: „Sie waren letzte Nacht ein wenig verwirrt“. 

Dabei könnte man das ganze Gewicht der Erfahrung, die ein Mensch gemacht hat, für eine Erklärung, was hier vor sich geht, ernst nehmen. Das waren also die beiden Probleme: Die Ärzte hingen einer falschen Wissenschaftsvorstellung an und schlossen daher von vornherein aus, dass derartige Dinge wirklich passieren können. Daher nahmen sie solche Erfahrungen nicht ernst, wenn sie davon erfuhren. Aber die Dinge ändern sich.

In Ihrem neuen Buch „Die Kunst des Sterbens“ zitieren Sie eine Krankenschwester mit den Worten: „Sie wissen, wenn die Sterbenden die Toten sehen, dass ihre Zeit zu gehen nahe ist.“ Was passiert beim Sterben?

FENWICK: Im Prozess des Sterbens zeigen sich viele Phänomene. Er beginnt bei einigen Menschen – allerdings nicht bei sehr vielen – mit der Vorahnung, dass sie sterben würden. 

Ich kenne viele Berichte über Vorahnungen. Sie beginnen etwa sechs Monate vor dem Tod. Manche Vorahnungen treten aber auch erst eine Woche oder sogar nur ein paar Tage vor dem Tod auf. 

Eine solche Vorahnung ist normalerweise sehr genau. Die Person erlebt dann tatsächlich, was ihre Vorahnung zeigte, also den Tod. 

Ein Beispiel: Ein Mann wusste, dass er sterben würde. Er hatte zwei kleine Kinder und eine Frau. Sein Arbeitsplatz war im Ausland. Seiner Frau erzählte er, dass er sterben würde. Er brachte alle seine Angelegenheiten in Ordnung und sagte dann: „Nun, es wird bestimmt so eintreffen, wie ich sage.“ Niemand in seiner Familie konnte das glauben. Er war jung und gesund, und wollte selbst auf keinen Fall sterben. Kurze Zeit später schickte ihn seine Firma auf eine Auslandsreise. Das Flugzeug, in dem er saß, stürzte ab, und er kam ums Leben. 

An anderes Beispiel: Eine Frau hatte einen Traum, der auf sie allerdings ganz anders wirkte, als alles, was sie je geträumt hatte. Sie sah, dass ihre Tochter – sie war 8 oder 9 Jahre alt – auf der Straße von einem Auto angefahren und getötet wurde. Das war für sie so real, dass sie in Tränen ausbrach, als ihre Tochter zu ihr ins Bett zum Kuscheln kam. Aber interessanterweise störte es die Tochter nicht. In gewisser Weise wusste sie selbst, was passieren würde, glaube ich. Und schon am nächsten oder übernächsten Tag passierte der Unfall. Die Tochter wurde tatsächlich überfahren und getötet. Die Mutter berichtete mir, dass es sich für sie genauso angefühlt hatte wie in dem Traum. Sie war natürlich völlig verzweifelt, als ihre Tochter tatsächlich ums Leben kam. 

Solche Vorahnungen können also sehr stark sein. 

Es wurden auch mehrere Studien über Katastrophen durchgeführt. Eine besonders gut untersuchte in die von Aberfan in Wales. Dort gab eine instabile Kohlenhalde, die ins Rutschen kam. Ein kleines Mädchen, deren Schule sich unterhalb der Kohlenhalde befand, sagte zu seiner  Mutter: „Ich will heute nicht in die Schule gehen, weil ich sterben werde, wenn ich gehe“. Die Mutter antwortete: „Oh sei nicht dumm, Liebes, natürlich wirst du das nicht“. Die Tochter brach in Tränen aus, aber ihre Mutter sagte: „Komm schon, du gehst doch sonst auch immer. Lauf schon los.“ Es war der Tag, an dem die Halde das Dorf verschüttete. Es wurden dabei ungefähr 100 Kinder getötet, das Mädchen war eines von ihnen. 

Also: Es gibt solche Vorahnungen. Sie sind dann der erste Schritt im Sterbeprozess. 

In der Literatur zu diesem Phänomen findet man auch eine Aussage des Dalai Lama, derzufolge jeder Mensch zwei Jahre vor seinem Tod weiß, dass er sterben wird. Dieses Wissen zeige sich in der Atmung. Auch die Art des Denken würde sich verändern. Ich kann dazu nichts Genaueres sagen, weil ich selbst keine solchen Beobachtungen gemacht habe. Aber der Dalai Lama wird es wissen. Er gibt einem also zwei Jahre, bevor man stirbt.

Wie geht es dann weiter?

FENWICK: Dann beginnt der eigentliche Sterbeprozess. Man kann ihn vielleicht als die zweite Phase bezeichnen. Sie beginnt normalerweise etwa acht Wochen bevor man stirbt. In dieser Zeit bekommt man „Sterbebettbesucher“. 

William Barrett war der Erste, der um die Jahrhundertwende, etwa 1925, ein Buch zu diesem Thema geschrieben hat. 

Seine Frau, eine Gynäkologin, hatte ihm von einer Person berichtet, die im Sterben lag. Diese bekam Besuch von einem Freund – von dem sie glaubte, dass er noch lebe. Der Freund besuchte sie innerlich, nicht in der physischen Realität. 

Da ihm ein solcher Besuche sehr ungewöhnlich erschien, interessierte sich Barrett für die Geschichte. Er fand dann gemeinsam mit seiner Frau heraus, dass dieser Sterbebettbesucher etwa eine Woche zuvor gestorben war. 

Barrett beschloss, zu diesem interessanten Phänomen eine Studie zu machen. Die Ergebnisse veröffentlichte er in seinem Buch. 

Dennoch, als wir das Thema im Jahr 2003 aufgriffen und anfingen Daten zu sammeln, war immer noch sehr wenig darüber bekannt. Aber wir konnten feststellen, dass Pfleger über diese Dinge Bescheid wissen. Es ist ihnen bekannt, dass während der letzten vierzehn Tage vor dem Tod eines Menschen Sterbebettbesucher kommen. 

Diese Berichte fand ich sehr interessant. Oft waren es Verwandte, die zu Besuch kamen. In unserer Studie haben wir über 110 Sterbebettvisionen untersucht. Bei einem Viertel der Besucher handelte es sich um das eigene Elternteil, an zweiter Stelle kamen Personen, die die Sterbenden nicht kannten, spirituelle Wesen, und an dritter Stelle, bei etwa 17 Prozent, waren es andere Personen, etwa die Geschwister. Sehr selten wurde in Großbritannien von Engel-Besuchen berichtet. 

Aus dem Gespräch mit einem Palliativmediziner aus den USA, John Lerma, der aus dem gläubigen „Bible Belt“ stammt, erfuhr ich, dass dort viele, viele Engel gesehen werden. Also, hier bei uns nicht. In Deutschland wohl auch nicht, da ist es eher so wie in Großbritannien. Ich denke, Europa ist diesbezüglich recht homogen. 

Eine Ausnahme bilden die skandinavischen Länder, wo man diese Idee überhaupt nicht mag. Skandinavier sehen daher auch keine Engel, sie kommen in den Sterbebettvisionen dort ebenso selten wie hier in England vor. 

Und leider wird auch sehr selten von Tieren berichtet. Soweit ich weiß, haben wir in unseren ganzen Daten nur zwei Berichte über Tiere, die als Besucher gekommen sind. In beiden Fällen waren es Hunde. 

Denken Sie, dass die Sterbebettbesucher eine bestimmte Funktion erfüllen?

FENWICK: Die Sterbebettbesucher erscheinen im Raum, sprechen mit der sterbenden Person und machen ihr zwei oder drei Dinge klar: Sie versichern der Person, dass es ihr gut gehen wird und sie sagen ihr, dass sie sich keine Sorgen zu machen braucht, weil sie da sein werden, um sie beim Sterben zu begleiten. 

In der Folge kann es dann zur nächsten Phase des Sterbens übergehen. Es ist der Wechsel in eine neue, sehr bemerkenswerte Realität. Sie ist voller Liebe und Licht, und man wird von seinem Verwandten dorthin gebracht. 

Manche Menschen beschreiben es als eine Art Warteplatz, aber es sind spirituelle Wesen dort, und es scheint so, als ob sie die Sterbenden dabei irgendwie an den Sterbeprozess gewöhnen wollten. Und dann finden sie sich wieder zurück im Hospiz. 

Der Übergang verläuft also folgendermaßen: Sterbebettbesucher kommen und teilen dem Menschen mit, wann er sterben wird. Manchmal nehmen sie den Sterbenden auch mit, um ihm zu zeigen, was geschehen wird. 

Man sollte auch wissen: Wenn ein Sterbebettbesucher kommt und sagt: „Weißt du was, ich denke, ich komme am Dienstag wieder zu dir“ – und man will an dem Tag noch nicht sterben, dann kann man vielleicht ein wenig verhandeln. Man könnte zum Beispiel sagen: „Nein, nicht am Dienstag, da kommt mein Sohn aus Amerika, den ich ihn noch sehen möchte“. 

Das ist in Ordnung, man kann seinen Tod vielleicht um einen Tag oder so verschieben. Aber man wird ihn nicht wegen einer Feier im Hospiz verschieben können. Man kann nicht sagen, es gibt da ein Fest, auf das ich gern gehen würde – oder ähnliches. Es muss ein existentiell wichtiger Grund sein.

Und dann kommen wir zur nächsten Stufe im Prozess, und ich habe das vorher bereits angedeutet: Seine Besucher bringen den Sterbenden in eine neue Realität, und die ist sehr, sehr real. Voller Licht, voller Liebe, voll von spirituellen Wesen. Sehr beruhigend, sehr tröstlich. Nicht alle, aber viele Menschen gelangen dorthin. 

Gibt es noch andere Phänomene in dieser Sterbephase, von denen Ihnen berichtet wurde?

FENWICK: Das Letzte, was manchen Menschen widerfährt, ist ein Phänomen, für das ich Ärzte zu begeistern versucht habe, und wie es aussieht, ist es mir auch gelungen, denn es wird eine große amerikanische Studie vom „National Institute of Health“ darüber geben. 

Die Viktorianer in England nannten das Phänomen „Aufleuchten vor dem Tod“. 

Wir bezeichnen es heute als terminale Geistesklarheit oder Luzidität. Das bedeutet, dass Menschen, die kein Bewusstsein mehr zeigen, plötzlich zu vollem Bewusstsein kommen. 

In einigen Pflegeheimen wurde uns davon berichtet. Dort gab es Sterbende, die im Endstadium „luzid“ waren. Das kann bedeuten, dass jemand, der gelähmt war, sich auf einmal wieder bewegen kann. Oder er hatte vielleicht einen Schlaganfall auf einer Seite und kann sich trotzdem wieder aufsetzen. 

Ein anderer hatte mehrere Jahre lang Alzheimer und konnte seine Verwandten nicht mehr erkennen. Im Zustand der terminalen Geistesklarheit setzt sich diese Person auf, begrüßt ihre Verwandten, erkennt sie also wieder, verabschiedet sich von ihnen und stirbt dann. 

Es ist also ein sehr klares Phänomen. 

Bemerkenswert. Und was folgt, allgemein betrachtet, im Prozess des Sterbens dann?

FENWICK: Das ist dann der eigentliche Moment des Todes. Aber es gibt noch weitere Phänomene, die in diesem Moment auftreten können, die sogenannten „Sterbebett-Koinzidenzen“. Dabei besucht die Person, die stirbt, jemand anderen. Dazu gibt es die erstaunlichsten Geschichten. In der Regel besucht der Sterbende bekannte Menschen. Es sind immer solche, zu denen er eine emotionale Beziehung hat. 

Wir haben sogar einen Bericht von einer sterbenden Person, deren Ehe zerbrochen war. Der abwesende Partner kümmerte sich gar nicht mehr um sie, war für sie aber trotzdem noch sehr wichtig. Daher besuchte die Sterbende ihren ehemaligen Partner, um ihn wissen zu lassen, dass sie im Sterben liegt.

Aus Australien gibt es eine besonders erstaunliche Geschichte: Eine Frau lag im Bett, wachte auf und sie sah vor ihrem geistigen Auge ihren Sohn auf sie zukommen, tropfnass. Im Näherkommen veränderte er sich langsam, bis er transzendent wurde und von Licht umgeben war. Dann er sagte zu seiner Mutter: „Mach dir keine Sorgen, Mama, bitte, denn mir geht es absolut gut!“ Danach verblasste die Vision, und die Mutter wusste in diesem Moment, dass ihr Sohn gestorben war. 

Da sie sich in Australien befand und der Sohn in Großbritannien lebte, wartete sie, bis es ihr die Zeitverschiebung erlaubte, in Großbritannien anzurufen, um herauszufinden, wie es ihm ging. Sie wollte anrufen, obwohl sie bereits sicher war, dass er tot war. Man teilte ihr mit, dass er in der Tat am Abend zuvor mit seinem Boot hinausgefahren und ertrunken sei. Interessant ist die Ähnlichkeit seines Erscheinens bei ihr mit dem tatsächlichen Geschehen, da er zunächst triefend nass erschien, worauf der Übergang zu einem spirituelleren, transzendenteren Zustand folgte.

Eine weitere Geschichte handelt von jemandem, der sich in einem U-Boot aufhielt. Er bekam dort Besuch von seinem Großvater, der ihm sagte, dass nun für ihn die Zeit gekommen sei, weiterzugehen. Der Mann im U-Boot ahnte also, dass sein Großvater soeben gestorben war. Da man in U-Booten keine schlechten Nachrichten zugestellt erhält, bestätigte sich dessen Ableben erst nach dem Auftauchen im Dock. Die Begegnung mit dem Großvater fand genau zum Zeitpunkt seines Todes statt. 

Als Sterbender kann man also sogar Menschen in U-Booten auffinden. Die tiefe Verbindung zwischen zwei Menschen ist dabei eine wichtige Grundlage.

Das Sterben ist ein Prozess, dennoch spricht man auch von einem bestimmten Todeszeitpunkt. Sind auch Phänomene bekannt, die diesen besonderen Moment betreffen?

FENWICK: Während des eigentliches Sterbeprozesses kann wirklich Erstaunliches geschehen. Wir haben Berichte von Lichtern im Raum der Sterbenden oder auch von Uhren, die stehen bleiben. 

Ich weiß nicht, ob man im deutschsprachigen Raum auch das Lied kennt: „Großvaters Uhr … sie verstummte, um nie wieder zu ticken, als der alte Mann starb“. Es wurde von einem amerikanischen Songwriter geschrieben. Er hatte ein Pub in Yorkshire besucht, bei Pierce Bridge. 

Die Geschichte ging so: Es gab zwei Brüder, die dort lebten. Als der erste Bruder starb, wurde eine Uhr, die immer sehr regelmäßig gegangen war, langsamer. Als der zweite Bruder starb, blieb sie genau zur Todeszeit stehen. 

Uhren reagieren also empfindlich. Ich kenne viele solcher Berichte und wollte dann wissen, ob auch moderne, digitale Uhren stehen bleiben können – so, wie es früher bei Aufziehuhren der Fall war. Die Antwort lautet ja. Wir haben eine Schilderung über eine solche Uhr dokumentiert. Sie zeigte die Zeit des Sterbens an und blinkte dabei. 

Die Uhren werden also immer noch vom Tod beeinflusst. 

Andere Berichte betreffen Tiere. Hunde beginnen zu heulen, auch wenn sie nicht in der Nähe der sterbenden Person sind. Und Katzen neigen dazu, zum Todeszeitpunkt unglücklich durch den Raum zu hetzen. 

In ihrer Gesamtheit scheinen die Phänomene zu bestätigen, dass das Sterben ein ganz besonderer Prozess für das menschliche Bewusstsein ist …

FENWICK: Das Phänomen des Sterbens ist eine komplexe Angelegenheit, was unser Verständnis von Bewusstsein angeht. Ich meine … wenn Sie die Bibel schätzen: Da steht, als Christus starb, zerriss der Vorhang im Tempels in zwei Hälften. Das erscheint als ziemlich starke, außergewöhnliche Begebenheit. 

Aber wenn man einmal die Phänomene gesehen hat, die auftreten können, wenn normale Menschen sterben, dann ist es nicht mehr so überraschend, dass es bei außergewöhnlichen Menschen auch zu außergewöhnlichen Phänomenen während des Sterbens kommt. 

Apropos Phänomene – es gibt noch andere. Zum Beispiel, dass die Lichter ausgehen, wenn jemand seinen letzten Atemzug macht. Oder das Phänomen der Transformation: Menschen, die sterben, erwecken den Eindruck zu leuchten, als ob sie transformiert würden. Das kommt zwar eher selten vor, aber eben doch. Und das führt mich weiter zu einer Begebenheit, die nicht sehr bekannt ist, aber doch immer häufiger zur Sprache kommt … 

Ich hatte eine Frau mit tiefen spirituellen Erfahrung kennengelernt, eine Künstlerin, ihr Name war Thetis Blacker. Als sie mir von ihren Erfahrungen erzähle, dachte ich: Sollte diese Frau vor mir sterben, wäre es doch schön, sie während des Sterbeprozesses besuchen zu können, um zu sehen, was dabei passiert. Sie war mit dieser Idee einverstanden, dann aber leider in Japan unterwegs, als es soweit war. Immerhin aber konnten wir telefonieren. Zwei Tage vor ihrem Tod habe ich mit ihr gesprochen, das war wirklich gut. Ich fragte sie, wie es sei zu sterben. Und sie sagte: „Peter, du hast keine Ahnung. Da sind Flüsse, goldene Flüsse der Liebe, die durch diesen Raum fließen. Es ist absolut erstaunlich.“ 

Sie erlebte also in einen transzendenten Zustand. 

Warum hören wir nicht mehr darüber? Vermutlich, weil wir nicht danach fragen. Würden wir fragen, würden wir auch mehr davon erfahren! 

Ich habe noch eine sehr schöne Geschichte, die eines engen Freundes von mir, Paul Robertson. Er war Geiger beim Medici-Quartett. Er hatte eine Nahtod-Erfahrung, weil seine Aorta gerissen war – eine klassische Nahtoderfahrung, und vier Jahre danach ist er tatsächlich gestorben. Mit ihm sprach ich oft über den Sterbeprozess. Er meinte: „Nun, eigentlich ist es sehr, sehr einfach. Du legst Deine körperliche Form ab und bleibst in Deiner geistigen Form. Du wirst ganz zu Deiner geistigen Form, wenn Du stirbst.“ Das hatte er auch in seiner Nahtoderfahrung erlebt. Ich wollte bei ihm sein, als er starb, aber leider habe ich es nicht geschafft. Aber seine Frau war bei ihm. Sie erzählte mir, Paul sei im Endstadium des Sterbens luzide aufgewacht und habe ihr aufgetragen: „Sag Peter Fenwick, dass alles, was wir über den Tod besprochen haben, wahr ist“. Dann legte er sich zurück und starb. 

Eine bemerkenswerte Begebenheit. Wenn man nun selbst den Tod vor Augen hat – und wir alle werden ja in diese Situation kommen – was ist aus Ihrer Sicht wichtig dabei?

FENWICK: Es ist außerordentlich wichtig zu wissen, worum es im Sterbeprozesses geht. Man muss lernen, dass es zunächst, in der ersten Phase des Sterbens, darauf ankommt, sich selbst zu reinigen. Das bedeutet, alle Bindungen aufzugeben. Wer das nicht schafft, könnte einen sehr schweren Tod haben. Untersucht wurde das von einer Palliativmedizinerin aus Zürich, Monika Renz. Sie hat sich zwei Gruppen von Sterbenden angeschaut, Krebspatienten, und zwar viel genauer als wir damals in unserer Studie. Sie sprach dreimal am Tag mit den Sterbenden und dokumentierte, in welcher psychischen Verfassung sie sich befanden. Und sie weiß nun, was man tun sollte und was besser nicht. Man sollte im Sterbeprozess den Gedanken an den Tod nicht verdrängen. Man sollte mit keinen Familienangehörigen offene Rechnungen haben, und man sollte auch keinen Ängsten Raum geben.

Monika Renz unterscheidet drei Sterbephasen. Auf die erste, vor dem eigentlichen Übergang, folgt die zweite Phase, der Sterbeprozess an sich. Diese kann unangenehm sein, denn man spürt nun den eigentlichen Sterbeprozess. Dabei brechen die Strukturen des Ego, das, was das Ich ausgemacht hat, zusammen.

Dann beginnt die Nach-Übergangs-Phase. Hier befinden Sie sich in einem Zustand, den wir gerade erst zu verstehen beginnen. Er wird in der Wissenschaft „Non-Dualität“ genannt. Im Zustand der Non-Dualität erleben Sie das Einswerden mit dem Kosmos. 

Man geht also durch diese drei Phasen: Prä-Transition – Transition – Post-Transition, und diese Schritte im Sterbeprozess hat Monika Renz sehr gut verstanden. 

Faszinierend ist, wie gut sich ihre Erkenntnisse dazu eignen, den Menschen das Sterben zu erläutern – und in der Folge auch zu erleichtern.

Die Palliativmedizin folgt neuerdings auch der Vermutung, dass einige der mentalen Zustände von Menschen, denen Ketamin verabreicht wurde – das ist ein Anästhetikum und auch eine halluzinogene Droge –, dem Erleben des Sterbeprozesses sehr ähnlich sind. 

Ich vermute, dass in zehn Jahren – wahrscheinlich nicht mehr zu meinen Lebzeiten – Menschen auf den Tod vorbereitet werden, indem man ihnen Ketamin gibt.

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist wichtigste Lektion im Sterbeprozess das Loslassen …

FENWICK: Das Wichtigste ist, den Prozess des Sterbens zu verstehen, etwa, indem man darüber etwas liest. Es liegt darüber inzwischen ja eine Reihe von Studien vor. 

Das Zweitwichtigste ist, die eigenen Bindungen zu lösen und den Tod zu akzeptieren. 

In den Studien von Monika Renz zeigte sich, dass die am wenigsten Todesangst verspürten, die neugierig darauf waren, was kommen wird. 

Ich sage den Leuten jetzt immer, dass sie neugierig sein sollen, wenn es auf ihren Tod zugeht. Das ist deshalb sehr wichtig, weil man schwer Angst haben kann, wenn man gleichzeitig neugierig ist.

In Ihrem Buch weisen Sie auch auf die große Bedeutung von Versöhnung und Vergebung im Sterbeprozess hin …

FENWICK: Wenn man stirbt, muss man anderen vergeben, denn wer das nicht tut, kann nicht frei durch den Sterbeprozess gehen. Er wird über die Probleme nachdenken, sich schuldig fühlen oder wütend sein, und das wird den Sterbeprozess stören. 

Es ist also sehr, sehr wichtig, dass man jedem vergibt, und wenn es irgendwelche Familienstreitigkeiten oder so etwas gibt, dann sollte man um Himmels willen die Familie herbeiholen und alles in Ordnung bringen, bevor man stirbt. Das ist ungeheuer wichtig. 

Die Vergebung und das Loslassen, die Lösung von Bindungen an eigene Dinge, das ist wichtig.

Und was sollen Menschen machen, die in dieser Phase Schwierigkeiten haben?

FENWICK: Mein Vorschlag ist, sich mit der Bereitschaft zu lernen auf den Sterbeprozess einzulassen. Wenn man noch immer Groll mit sich herumträgt, ausgelöst durch einen Familienkrach oder ähnliches, dann sollte man sich selbst sagen: Vergib ihnen allen und lass los! 

Du musst das tun! Denn sonst wird der Sterbeprozess angsterfüllt und dramatisch sein. Man muss mit sich selbst ins Reine kommen. Das ist das Wichtigste. Und: Sei einfach neugierig auf das Sterben!

Gibt es eine Seele, die den körperlichen Tod überlebt?

FENWICK: Ob es eine Seele gibt, das ist natürlich eine enorm wichtige Frage, und ich denke, dass sich die Ansichten dazu gerade wieder ändern. Als guter Wissenschaftler muss man umdenken.

Als ich an der Universität war, konnten wir nicht einfach über Bewusstsein sprechen. Wir mussten über „Stufen der Aufmerksamkeit“ sprechen, denn alles war tote Materie. Die Welt ist tote Materie, die zufällig zusammenkommt und sich dann, angetrieben durch den darwinistischen Prozess, zu höheren Formen des Lebens entwickelt. 

Inzwischen hat man aber erkannt, dass es so viele Dinge gibt, die man mit diesem Modell nicht erklären kann, dass es einen anderen Ansatz geben muss. 

Ein aktuelles Denkmodell ist, dass das Bewusstsein die grundlegende Basis von allem und in allem sein könnte.

Was den Menschen betrifft, sieht es so aus – und das deckt sich mit meinen Erfahrungen mit Sterbenden –, dass der Körper stirbt … er geht zu den Würmern, oder er wird verbrannt …, dass aber der lichtvolle Wesenskern des Menschen weiterlebt. 

Diese Aussage wird von Wissenschaftlern, die noch ganz wie im Zeitalter der Renaissance und der Aufklärung denken, kaum akzeptiert werden. Aber sie wird von Menschen akzeptiert, die eine erweiterte Sicht von Wissenschaft haben. Und ich denke, dieser Ansatz ist richtig, denn jetzt fangen viele Menschen an, über tiefen transzendenten Erfahrungen, die sie haben, zu sprechen. Sie haben keine Angst mehr davor. 

Der Ansatz ist also im Kommen.

Weniger dogmatische, mehr – im besten Sinn – neugierige Wissenschaftler – das wäre eine gute Entwicklung. Herr Dr. Fenwick, vielen herzlichen Dank für dieses Gespräch!

 

Ein Gedanke zu “Peter und Elisabeth Fenwick: Die Kunst des Sterbens

  1. Ketamin – genau! Ich bin inzwischen fast sicher, dass meine eigenen nahtodähnlichen Erlebnisse im Kleinkindalter vermutlich auf eine Gabe Ketamin bzw. auf ein chemisch sehr ähnliches Derivat zurückzuführen sind (Nachfragen legen diesen Schluß nahe, Aufzeichnungen sind leider nicht mehr vorhanden). Anschließend erlebte ich das, was gemeinhin als „Ich–Auflösung“ beschrieben wird und wurde. Und ja, es erscheint mir plausibel, dass der Sterbeprozess natürlich auch mindestens im Übergang die Loslösung bzw. insgesamt Auflösung der lebenslang gelebten Identität beinhalten dürfte, die man – Wesenskern hin oder her – wohl hier mit dem Körper zurücklässt.

    Ich begrüße die Beobachtung einer Entwicklung, wonach gerade westlich materialistisch/dualistisch geprägte Wissenschaftler sich der sorgfältigen und bewährten wissenschaftlichen Methodik bedienen um die bestehenden Lücken im herkömmlichen Weltbild zu ergründen und sukzessive zu schließen oder wenigstens Annäherungswerte an deren Entmystifizierung schaffen. Beeindruckende Arbeit von Dr. Fenwick, das Buch scheint eine äußerst lesenswerte Lektüre zu sein. (Zuletzt auch: Natalie Sudman, the Application of Impossible Things, die in ihrer Nahtoderfahrung verursacht durch Verletzungen einer Fahrmine während eines Arbeitseinsatzes im Irak Aspekte ins Spiel bringt, die bislang in den vielen anderen Nahtodberichten noch gänzlich unerwähnt geblieben sind bzw. mindestens mir gänzlich neu waren)

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