Ronald Steckel: Durchbrüche

Heike Sucky an Werner Huemer:

Hast Du Dir zufällig schon Ronald Steckels Durchbrüche angehört? Wenn ja, wie hat es auf Dich gewirkt? Bin neugierig, weil es mich regelrecht mitgerissen hat. Finde die Machart hervorragend. Diese Herangehensweise ist – jedenfalls für mich – neu, und in Verbindung mit den Klängen sensationell. Habe es über Kopfhörer angehört. Der Klang, die Stimmen, das ganze Stimm-Ensemble, die kurzen Sätze, die Klarheit, der wunderschöne Ausklang und und und … einfach alles zusammen hat mich mitgetragen … wirklich außerordentlich cool! Jetzt bin ich natürlich gespannt, ob ich mich vielleicht aufgrund meiner eigenen NT-Erfahrung so in das Geschehen hineinfallen lassen konnte, oder vielleicht auch deshalb, weil mir die Frequenzen der Klänge liegen, oder ob andere Personen das ähnlich erfahren. Wenn Du es gehört hast, gib mal Bescheid. Wenn es bei Dir (und anderen) eine ähnliche Wirkung hat, ist „Meister Steckel“ und allen Mitwirkenden dieses Hörstücks etwas Geniales gelungen.

Werner Huemer an Heike Sucky:

Die Durchbrüche habe ich mir inzwischen angehört – wirklich ein sehr beeindruckendes Hör-Stück, das sowohl in der Wortgestaltung als auch im Tonschnitt eine große Liebe zum Detail und natürlich überhaupt zum Thema zeigt. Die tiefe Wirkung, die Ronald Steckel so erzielt hat, wäre auf „normalem“ Weg (Schauspieler lesen mal schnell einen Text) unmöglich erreichbar.

Ich finde, wir sollten für das Stück eine Empfehlung auf der Thanatos-Webseite veröffentlichen.

Heike Sucky an Ronald Steckel:

Hätte ich direkt nach meiner NTE von der Existenz der Durchbrüche gewusst, hätte ich dafür gesorgt, dass dieses Hörstück akustisch die Runde durch meinen Freundes- und Familienkreis macht. Ich bin mir gewiss, dass danach die Verständigung mit meinem Umfeld durch dieses Erlebnis-Hörstück um einiges unkomplizierter abgelaufen wäre!

Wir (Werner Huemer und ich) würden uns sehr freuen, wenn Sie bezüglich Durchbrüche Interesse an einem schriftlichen Interview auf https://thanatos.tv/ hätten?!

Ronald Steckel an Heike Sucky:

dass die Durchbrüche bei Ihnen und bei Werner Huemer „angekommen“ sind, das bedeutet mir viel, und wenn Sie sich entschließen sollten, die Durchbrüche-CD auf der Thanatos-webseite zu erwähnen, wäre das eine wunderbare schützenhilfe für den todesmutigen audioflow-verleger Rüdiger Gleisberg, der auf mich zukam und genau dieses stück als hörbuch veröffentlichen wollte, obwohl es – außer den menschen, die „über die grenze“ gegangen sind – für solche sachen überhaupt keine „zielgruppe“ gibt.

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Lieber Herr Steckel, es verbietet sich von selbst, ein so vollkommen abgerundetes Hörstück wie die Durchbrüche durch Fragen über gestalterische oder inhaltliche Details zu sezieren. Lassen Sie uns über das Entstehungsumfeld sprechen. Warum muss ein Verleger heutzutage todesmutig sein, wenn er ein Stück veröffentlichen will, das den Hörer in Nahtoderfahrungen eintauchen lässt? Geht der Tod nicht jeden an? Sollte er also nicht auf die größtmögliche Zielgruppe hoffen können?

Wie wir wissen, hat die Kultur unserer kriegerischen Zivilisation, die nach den Worten Johannes Paul II. den „Weg des Todes“ beschreitet, ein schizoides, schwer darzustellendes Verhältnis zum Tod. Einerseits die Verdrängung im wirklichen Leben, das Tabuisieren des Todes und die Ghettoisierung sterbender Menschen, andererseits obsessive Darstellungen des Tötens und des Todes in den so genannten Unterhaltungsmedien: auf Bildschirmen und Leinwänden wird ununterbrochen gestorben. Aber dass der Tod „jeden angeht“, bedeutet noch lange nicht, dass jeder Sterbliche sich mit dem Ende seiner Daseinsform bewusst auseinandersetzt. Das sind Ausnahmeerscheinungen; sie betreffen entweder Menschen, die Erfahrungen der Todesnähe gemacht haben oder Menschen, denen die Tiefe der mit dem Tod verbundenen Frage bewusst ist – und die ihr nachgehen. Das sind sehr wenige. Darum halte ich einen Verleger, der ein Hörbuch über Nahtoderfahrungen veröffentlicht, für „todesmutig“ – im kaufmännischen Sinne. Es gibt keine „größtmögliche Zielgruppe“, nur verstreute Einzelne, die überalltägliche Erfahrungen gemacht haben. 

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Gab es für Sie ein Leitmotiv für die inhaltliche und akustische Gestaltung der Durchbrüche? Gab es eine Quelle eigener Erfahrungen, die Sie inspirierte und der das Stück in seiner Anmutung nahe kommen sollte?

Ich selbst verfüge über keine NTE, aber ich habe Bewusstseinsformen erfahren, die das Alltagsbewusstsein weit übersteigen. Wenn man von einem „Leitmotiv“ für die Durchbrüche sprechen will, ist es die Doppelnatur des Menschen, die im kulturellen Diskurs der Gegenwart überhaupt nicht vorkommt, obwohl sie das Herzstück der geistigen Überlieferung der Weltkulturen darstellt: der „Mensch“, wie wir ihn auf diesem Planeten erleben, ist in seiner psychophysischen Erscheinung ein Tier – und in seiner inneren Welt ein unsterbliches Geistwesen. „Man soll zum ersten wissen, und es ist auch deutlich offenbar, dass der Mensch in sich zweierlei Naturen hat: Leib und Geist“, sagt Meister Eckhart. Dieses im Prinzip atemberaubende Mysterium ist eines der immer wiederkehrenden Themen meiner künstlerischen Arbeit und hat mir auch den Anlass für die Durchbrüche gegeben.

Zum Zeitpunkt der Produktion des Hörstücks habe ich mich an vorliegende Berichte von NT-Erfahrungen gehalten, und die Dramaturgie der Durchbrüche folgt im Wesentlichen den Stationen, die fast allen dieser Berichte gemeinsam sind: die Ablösung des „Ich-selbst“-Bewusstseins vom Körper, die Tunnelreise, das Staunen über die Empfindung, ein lebendiger Leib zu sein, obwohl man weiß, dass man „tot“ ist, die Lichtwahrnehmung, die Begegnung mit anderen Geistwesen im Licht, die Lebensfilm-Rückschau und die Rückkehr in den Körper. 

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Ursprünglich handelte es sich bei den Durchbrüchen um ein Hörstück, das Sie mit vier Schauspieler-Kollegen – Angelika Waller, Linda Olsansky, Arne Fuhrmann und Martin Engler – aufgenommen hatten, damals noch ohne Soundtrack. Wie kam es zu dieser besonderen Zusammenarbeit und zu dem Projekt überhaupt? Hatten Sie alle eine gewisse Affinität zu Grenzerfahrungen?

Die Schauspieler, mit denen ich das Stück realisiert habe, waren alle offen für Erfahrungen und Überlegungen, die überalltäglich sind. Das war eine unverzichtbare Voraussetzung für die Arbeit. Als Regisseur bin ich der Auffassung, dass ein Schauspieler oder Sprecher zumindest eine Vorstellung von dem haben sollte, worüber er berichtet, auch wenn es seinen eigenen Erfahrungshorizont überschreitet. 

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Wie entwickelte sich später der Soundtrack? War das ein rein intuitives Experimentieren mit Tönen und Klängen? Oder hatten Sie eine akustische Vision zur Stützung der Texte, die Sie angeleitet hat?

Die ursprüngliche für den RBB realisierte Fassung der Durchbrüche von 2004 war ein reines Stimmen-Konzert, sehr schnell und rhythmisch geschnitten. Als der audioflow-Verleger Rüdiger Gleisberg sich 2017 mit der Idee einer Veröffentlichung an mich wandte, zog ich Plan B aus der Schublade: immer schon hatte ich einen Soundtrack für das Stück imaginiert – und hier war die Chance. Bei der Komposition ging es vor allem um die Schaffung von Räumen und Tempi. In den Berichten von Nahtoderfahrungen ist immer wieder die Rede von Zeit-Dehnungen und Zeit-Verdichtungen, von erlebter Weite, von Unendlichkeit – „der Mensch ist inwendig unendlich“, schreibt Jacob Böhme – und diesen Empfindungsräumen bin ich kompositorisch nachgegangen. Ich arbeite in solchen Zusammenhängen rein intuitiv und bin dabei als mein eigener Hörer gleichzeitig der einzige Prüfstein, über den ich verfüge: wenn das, was da klingt, mich überzeugt und erreicht, wenn es meine Empfindungen anspricht, gehe ich davon aus, dass es auch andere überzeugt und erreicht.

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Die Durchbrüche sind ein akustisches Erlebnis. Der ergänzende Untertitel für die Produktion lautet schlicht: Berichte von Nahtoderfahrungen; denn die Texte fassen solche Berichte zusammen. Erlebnismomente und Faktensammlung – subjektive Erfahrung und objektive Forschung: Könnte, sollte der Einklang dieser beiden Erkenntniswege, wie er in den Durchbrüchen skizziert ist, die tiefere Ergründung des menschlichen Bewusstseins generell leiten? Das überwiegend naturalistische Weltbild unserer Tage klammert die menschliche Innenwelt ja weitgehend aus …

Für die mathematische Naturwissenschaft, die ich für den eigentlichen Fundamentalismus unserer Epoche halte – tiefgreifender und mächtiger als alle religiösen oder politischen Fundamentalismen – existiert keine menschliche Innenwelt. Das wird sicher nicht so bleiben, aber diese Sicht ist das vorläufige Ergebnis eines jahrhundertelangen abendländischen „Umwegs durch die Materie“, eines Beharrens auf mental-rationalen Erkenntnismethoden, die uns schließlich zu dem Materialismus geführt haben, an dem wir heute zu ersticken drohen. „Wirklich“ ist nur das, was man messen und wägen kann – aber unsere innerste Wesenheit, der „innere Mensch“, ist nicht messbar und wägbar. Seit der Aufklärung haben wir enormes Wissen über die Materie erworben und ein technologisches „Gestell“ geschaffen, das in der Gegenwart zu einem veritablen Gefängnis zu werden droht – gleichzeitig haben wir im Laufe dieses mittlerweile weltzerstörenden Prozesses, wie Jean Gebser schreibt, „den Urgrund aus dem Auge verloren“ und damit auch das eigentliche Geheimnis des Menschen: seine urgründige Geist-Natur. „Denn der Mensch ist das größeste Geheimnis, das Gott gewirket hat“, schreibt Jacob Böhme. Etwas in uns ist „nicht von dieser Welt“ – und dieses „Etwas“ will erkannt werden. In der Bewusstseinsmutation der Gegenwart beginnen die von der Naturwissenschaft methodisch gesetzten Modi der Erkenntnis durchlässig zu werden: das „vergessene Zentrum“ unserer Erfahrungen – das Subjekt – meldet sich zu Wort, nicht nur in den Berichten von NTEs, sondern auch in den mittlerweile zahlreich vorliegenden Berichten von Erfahrungen der Bewusstseinssteigerung und Vertiefung auf meditativen und anderen geistigen Wegen. Und wenn Albert Einstein in seinem Credo von 1932 sagt: „das Schönste und Tiefste, was der Mensch erleben kann, ist das Gefühl des Geheimnisvollen“, so werte ich das als eines der vielen Zeichen für die beginnende, langsame Annäherung wissenschaftlicher und subjektiver Erkenntnis. Ich glaube, dass uns in diesem bereits im XX. Jahrhundert deutlich ablesbaren Prozess unter anderem die Wiederentdeckung der geistigen – oder, wie man heute sagt: spirituellen – Überlieferung der Weltkulturen bevorsteht und damit eine grundstürzende Vertiefung unseres Menschenbildes. Es ist in diesen menschenverachtenden Zeiten viel die Rede von der „Würde des Menschen“ – aber wie ist diese begründet, wenn nicht durch die Erkenntnis, dass jeder einzelne Mensch in seiner inneren Wirklichkeit ein „Geheimnisträger“ ist, der etwas unendlich Kostbares in sich birgt? In den Berichten von Nahtoderfahrungen kommt einiges von diesem Geheimnis des Menschen zur Sprache: das macht sie so außerordentlich wertvoll. 

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Wir wünschen Ihnen und der Hörbuch-Produktion viel Erfolg!

 

Bezugsquellen:

Amazon: https://www.amazon.de/Durchbrüche-Berichte-von-Nahtoderfahrungen/dp/B07CVLCGPK/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=ÅMÅŽÕÑ&keywords=Durchbrüche&qid=1555656133&s=gateway&sr=8-1

Apple iTunes: https://books.apple.com/at/audiobook/durchbr%C3%BCche-berichte-von-nahtoderfahrungen/id1387058284

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