Was erlebt ein Mensch, wenn er stirbt?
Die meisten Menschen sind gewohnt zu denken, dass beim Sterben das Bewusstsein erlischt. Dementsprechend stellt man sich vor, dass über den „Akt des Hinübergehens“ keine Wahrnehmung möglich ist.
Darum war es ein große Überraschung, als Forscher wie Elisabeth Kübler-Ross (1926–2004) oder Raymond Moody (geb. 1944) in den 1970er Jahren Berichte von Personen veröffentlichten, die bereits klinisch tot gewesen und ins Leben zurückgeholt worden waren. Dabei zeigte sich, dass beim Sterben keineswegs das Bewusstsein des Sterbenden erlischt, denn überraschend viele dieser wiederbelebten Personen berichteten nach der erfolgreichen Reanimierung von eindrucksvollen Erlebnissen, die sie bei Annäherung an bzw. beim Pendeln um die Schwelle des Todes gemacht hatten.
Verblüffend war aber nicht nur die Tatsache, dass ein Sterbender offenbar keineswegs sein Bewusstsein verliert; auch die bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen den Berichten ganz unterschiedlicher Personen sowohl hinsichtlich Geschlecht, Bildung, ethnischer Herkunft, Kulturzugehörigkeit sowie religiöser Überzeugung legte die Schlussfolgerung nahe, dass es sich bei den Schilderungen nicht um Halluzinationen handeln könne, sondern dass ein Sterbender Einblick in real existierende Bereiche des Seins erhalte, die sich offenbar erst einem Sterbenden infolge seines „Hinübergehens“ erschließen.
Raymond Moody: Leben nach dem Tod
So schälte Dr. Raymond Moody aus der Fülle des Materials, das er durch Befragung wiederbelebter Personen gesammelt hatte, etwa 15 Einzelelemente heraus, die in den vorliegenden Berichten immer wiederkehren. Das bedeutet nicht, dass in jeder Einzelschilderung alle 15 Elemente vorkommen, aber diese Einzelelemente wiederholen sich in den verschiedenen Berichten so regelmäßig, dass Dr. Moody daraus folgendes theoretisch „ideales“, „vollständiges“ Erlebnis konstruierte, welches sämtliche gemeinsamen Elemente in der für ihr Auftreten typischen Reihenfolge umfasst:
Ein Mensch liegt im Sterben. Während seine körperliche Bedrängnis sich ihrem Höhepunkt nähert, hört er, wie der Arzt ihn für tot erklärt. Mit einemmal nimmt er ein unangenehmes Geräusch wahr, ein durchdringendes Läuten oder Brummen, und zugleich hat er das Gefühl, dass er sich sehr rasch durch einen langen, dunklen Tunnel bewegt. Danach befindet er sich plötzlich außerhalb seines Körpers, jedoch in derselben Umgebung wie zuvor. Als ob er ein Beobachter wäre, blickt er nun aus einiger Entfernung auf seinen eigenen Körper. In seinen Gefühlen zutiefst aufgewühlt, wohnt er von diesem seltsamen Beobachtungsposten aus den Wiederbelebungsversuchen bei.
Nach einiger Zeit fängt er sich und beginnt, sich immer mehr an seinen merkwürdigen Zustand zu gewöhnen. Wie er entdeckt, besitzt er noch immer einen „Körper“, der sich sowohl seiner Beschaffenheit als auch seinen Fähigkeiten nach wesentlich von dem physischen Körper, den er zurückgelassen hat, unterscheidet. Bald kommt es zu neuen Ereignissen. Andere Wesen nähern sich dem Sterbenden, um ihn zu begrüßen und ihm zu helfen. Er erblickt Geistwesen bereits verstorbener Verwandter und Freunde, und ein Liebe und Wärme ausstrahlendes Wesen, wie er es noch nie gesehen hat, erscheint vor ihm. Dieses Wesen richtet – ohne Worte zu gebrauchen – eine Frage an ihn, die ihn dazu bewegen soll, sein Leben als Ganzes zu bewerten. Es hilft ihm dabei, indem es das Panorama der wichtigsten Stationen seines Lebens in einer blitzschnellen Rückschau an ihm vorüberziehen lässt. Einmal scheint es dem Sterbenden, als ob er sich einer Art Schranke oder Grenze nähere, die offenbar die Scheidelinie zwischen dem irdischen und dem folgenden Leben darstellt. Doch wird ihm klar, dass er zur Erde zurückkehren muss, da der Zeitpunkt seines Todes noch nicht gekommen ist. Er sträubt sich dagegen, denn seine Erfahrungen mit dem jenseitigen Leben haben ihn so gefangen genommen, dass er nun nicht mehr umkehren möchte. Er ist von überwältigenden Gefühlen der Freude, der Liebe und des Friedens erfüllt. Trotz seines inneren Widerstandes – und ohne zu wissen, wie – vereinigt er sich dennoch wieder mit seinem physischen Körper und lebt weiter.
Bei seinen späteren Versuchen, anderen Menschen von seinem Erlebnis zu berichten, trifft er auf große Schwierigkeiten. Zunächst einmal vermag er keine menschlichen Worte zu finden, mit denen sich überirdische Geschehnisse dieser Art angemessen ausdrücken ließen. Da er zudem entdeckt, dass man ihm mit Spott begegnet, gibt er es ganz auf, anderen davon zu erzählen. Dennoch hinterlässt das Erlebnis tiefe Spuren in seinem Leben; es beeinflusst namentlich die Art, wie der jeweilige Mensch dem Tod gegenübersteht und dessen Beziehung zum Leben auffasst.
(Dr. med. Raymond Moody, Leben nach dem Tod. 150 Menschen, die einmal im medizinischen Sinne gestorben waren und dennoch überlebt haben, berichten. Genehmigte Lizenzausgabe für Weltbild Verlag, Augsburg 1998, S. 27ff.)
Die von Dr. Moody gesammelten Berichte legen nahe, dass die Wahrnehmung des Sich-durch-einen-langen-dunklen-Tunnel-Bewegens mit dem Austreten der Seele aus dem Körper zusammenhängt. Dieser „Tunnel“ wird manchmal von den Befragten auch als „dunkler Raum“ beschrieben, aber bisweilen auch mit „Höhle“, „Rinne“, „Schacht“, „eingegrenzter Raum“, „Trichter“, „Vakuum“, „Leere“, „Rohr“, „Tal“ oder „Zylinder“ bezeichnet. Um diese unterschiedlichen Bezeichnungen für ein und denselben Vorgang zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, dass es von den Betroffenen als schwierig erlebt wird, menschliche Worte für dieser Art überirdische Geschehnisse zu finden.
Ein Mann erzählt:
Das folgende ereignete sich, als ich ein kleiner Junge von neun Jahren war. Das ist jetzt schon siebenundzwanzig Jahre her, aber es war so beeindruckend, dass ich es bis heute nicht vergessen habe. Eines Nachmittags wurde ich mit einemmal sehr krank, und man brachte mich schnell ins nächste Krankenhaus. Als ich dort ankam, wurde beschlossen, mir eine Narkose zu geben; warum, weiß ich nicht, weil ich eben damals noch zu klein war. In jener Zeit wurde noch mit Äther gearbeitet. Die Äthernarkose wurde mir verabreicht, indem man mir ein Tuch über die Nase legte – und genau in dem Augenblick, so bekam ich später gesagt, setzte mein Herz aus. Ich hatte natürlich keine Ahnung davon, was da passierte, aber auf jeden Fall hatte ich bei der Gelegenheit ein Erlebnis. Also das erste, was geschah – ich beschreibe das jetzt genau so, wie ich’s damals empfunden habe – war, dass ich so ein Tönen hörte: brrrrnnnnng-brrrrnnnnng-brrrrnnnnng, immer im gleichen Rhythmus. Dann bewegte ich mich durch diesen – das wird Ihnen jetzt sicherlich absonderlich vorkommen – durch diesen langen Gang, dieses Rohr, oder was immer das war. Ich kann es einfach nicht beschreiben. Ich bewegte mich mich hin und her, vibrierte die ganze Zeit im Rhythmus dieses Geräuschs, dieses klingenden Geräuschs.
(Dr. med. Raymond Moody, Leben nach dem Tod. 150 Menschen, die einmal im medizinischen Sinne gestorben waren und dennoch überlebt haben, berichten. Genehmigte Lizenzausgabe für Weltbild Verlag, Augsburg 1998, S. 37f.)
Die Notfallmedizin ist heute wesentlich weiter entwickelt als in früheren Zeiten. Folgerichtig kann man annehmen, dass die Dichte an erfolgreich Wiederbelebten in der Gesellschaft heutzutage höher ist als je zuvor. Wenn man davon ausgeht, dass etwa 20 Prozent von den Überlebenden eines Herzstillstandes über typische Nahtoderlebnisse berichten, wird klar, wie viele Menschen unter uns leben, die bereits derartige Erfahrungen selbst gemacht haben: Laut einer repräsentativen Befragung von über 2000 Personen in Deutschland durch den Berliner Soziologen Hubert Knoblauch in den Jahren 1997–98 hatten etwa 4 Prozent eine Nahtoderfahrung, wobei eine hohe Dunkelziffer nicht ausgeschlossen werden kann. (Quelle: Wikipedia, Stichwort „Nahtoderfahrung“)
Platon, die Kelten und Frau Holle
Daraus allerdings nun den Schluss zu ziehen, dass es sich bei Nahtoderfahrungen um ein relativ junges Phänomen handelt, wäre weit gefehlt: Bereits der bekannte griechische Philosoph Platon (427 v. Chr.–347 v. Chr.) schildert im 10. Buch seines Werkes „Politeia“ ein ganz regelrechtes Nahtoderlebnis. Man kann vielmehr annehmen, dass derartige Erfahrungen den Menschen aller Zeiten bekannt waren. Darum ist es bestimmt kein Zufall, wenn der niederländische Renaissancemaler Hieronymus Bosch (1450–1516) auf seinem Gemälde mit dem Titel „Der Flug zum Himmel“ (dabei handelt es sich vermutlich um ein Fragment aus einem verlorenen Altar – siehe Beitragsbild) ein „Tunnelerlebnis“ im Sinne einer ganz regelrechten Nahtoderfahrung abbildete. (Quelle: Wikipedia, Stichwort „Nahtoderfahrung“)
Von den Kelten weiß man, dass sie von Höhlen, Spalten und Durchgängen fasziniert waren und derartige Naturformationen kultisch verehrten; man weiß es deshalb, weil an solchen Orten Überreste von Opfergaben aus keltischer Zeit gefunden wurden. Es ist natürlich heute schwer zu beweisen, dass diese Naturformationen von den Kelten deshalb verehrt wurden, weil sie ihnen das „Tunnelerlebnis“ im Sinne eines Überganges zum Jenseits oder zur „Anderswelt“ symbolisierten; manche Forscher bringen solche „heiligen Höhlen und Spalten“ der Kelten weniger mit dem Tod, als vielmehr mit der Geburt in Verbindung, also mit dem Erleben, das das Neugeborene beim Durchgang durch den Geburtskanal hat. (Aus dieser Perspektive wird deutlich, warum der Tod manchmal auch als „Geburt – der Seele – ins Jenseits“ bezeichnet wird: Das „Tunnelerlebnis“ des Sterbenden weist unübersehbar Parallelen zum Durchgang des Neugeborenen durch den Geburtskanal auf …!)
Ein ganz eindeutiges „Tunnelerlebnis“ im Sinne der Nahtoderfahrungen findet sich jedenfalls in dem bekannten Grimmschen Märchen „Frau Holle“, welches zwar erst vor ca. 200 Jahren aufgeschrieben wurde, aber in seiner mündlichen Überlieferung wesentlich älter ist und möglicherweise bis in die Jungsteinzeit zurückverfolgt werden kann (Quelle: Wikipedia, Stichwort „Frau Holle“): Durch einen tiefen „Brunnen“ gelangen sowohl Goldmarie als auch Pechmarie ins Jenseits beziehungsweise in eine „Anderswelt“ im Himmel (über den Wolken), wo sie der „Frau Holle“ (assoziiert mit der germanischen Totengöttin Hel, deren Reich später von den christlichen Missionaren als „Hölle“ diskreditiert wurde) begegnen. Je nach ihrem Verhalten in der „Anderswelt“ kommen Goldmarie und Pechmarie sodann mit völlig veränderten Voraussetzungen (zu einem erneuten Erdenleben!) wieder auf die Erdenwelt zurück – das Märchen „Frau Holle“ enthält somit nicht nur ein Sterbeerlebnis, sondern auch klare Hinweise auf den Glauben an Reinkarnation sowie eine einfache Erklärung für die ungleiche, aber nur scheinbar ungerechte Verteilung von gutem und bösem Schicksal.
Tunnelerlebnis und „Astralkörper“
Nun könnte man abschließend noch die Frage aufwerfen, wie bei Sterbenden das Tunnelerlebnis eigentlich zustande kommt und was es zu bedeuten hat. Dazu müsste man wissen, worum es sich bei diesem wahrgenommenen „Tunnel“, durch den sich der Sterbende seiner eigenen Wahrnehmung nach bewegt, eigentlich handelt. Mir ist nur eine einzige Quelle bekannt, die das Phänomen nicht aus der „Innensicht“, also aus der Perspektive des Sterbenden selbst beschreibt, der durch den „Tunnel“ gezogen wird, sondern gewissermaßen als Betrachter von außen.
In seinem Vortrag „Eine Seele wandert“, veröffentlicht im weltanschaulichen Werk „Im Lichte der Wahrheit“, spricht Abd-ru-shin (Oskar Ernst Bernhardt, 1875–1941) von „Schicksalsfäden“, die jeder Mensch im Laufe seiner Existenz in den verschiedenen Ebenen der Stofflichkeit erzeugt und mit deren Hilfe er seinen Weg darin bestimmt. Dazu muss man vorausschicken, dass hier mit „Stofflichkeit“ nicht nur die grobe Materie (grobe Grobstofflichkeit) gemeint ist, aus der auch der Erdenkörper besteht, sondern dass darin sehr viele Abstufungen bestehen, die allesamt für unsere irdischen Sinne unsichtbar sind. Das gesamte Jenseits besteht demnach aus zahlreichen unterschiedlich feinen Stofflichkeiten, von einer „mittleren Grobstofflichkeit“ angefangen und immer feiner werdend bis hinauf zur „feinsten Feinstofflichkeit“.
Folgt mir (…) einmal eine kurze Strecke auf dem Wege, den eine Seele nach dem Abscheiden von ihrem Erdenkörper wandern muß. Die ersten Schritte dabei wollen wir betrachten.
Wir stehen in der mittleren Grobstofflichkeit. Vor uns sehen wir Schicksalsfäden verschiedener Farben und Stärken, von denen wir in den letzten Vorträgen sprachen (…). Alles andere schalten wir einmal aus; denn in Wirklichkeit ist ja dicht beieinander und durcheinanderfließend noch viel mehr vorhanden auf der Strecke als nur diese Fäden. Alles in strengster Ordnung nach den Gesetzen in der Schöpfung schwingend. Aber wir schauen weder rechts noch links, sondern bleiben nur bei diesen Fäden.
Diese Fäden ziehen anscheinend nur schwach bewegt dahin, ohne besondere Tätigkeit; denn es sind solche, die schon lange gesponnen wurden. Da beginnt der eine davon plötzlich zu erbeben. Er zittert und bewegt sich mehr und mehr, schwillt an, vertieft die Farbe und beginnt in allem lebhafter zu werden … Eine Seele hat sich von einem Erdenkörper gelöst, die mit diesem Faden verbunden ist. Sie kommt der Stelle näher, an der wir harren.
Es ist ein Bild ähnlich wie bei einem Feuerwehrschlauche, in den plötzlich Wasser getrieben wird. Man kann dabei genau den Weg des nahenden Wassers beobachten, wie es in dem Schlauche weiter und weiter vorwärts dringt. So ist der Vorgang bei den Schicksalsfäden, die zur Auslösung kommen, wenn die Seele den damit vorgezeichneten Weg wandern muß. Die Ausstrahlung des Geistes in der Seele strömt dieser voraus und belebt den Faden ihres Weges, auch wenn dieser Faden bis dahin nur schwach tätig war. In dieser Belebung verstärkt sich die Anspannung und zieht die Seele energischer dorthin, wo die nächste Verankerung dieses Fadens liegt.
Bei dieser Verankerungsstelle wimmelt es von Gleicharten solcher Fäden, die wieder mit Seelen verbunden sind, welche noch auf der Erde weilen in den grobstofflichen Erdenkörpern. Andere Seelen wieder befinden sich schon an der Stelle, wenn sie bereits von der Erde abgeschieden sind und nun hier an diesem Orte die Früchte genießen müssen, die (…) reiften nach der Art der Fäden, die wie Samenstränge wirken.
(Abd-ru-shin, Im Lichte der Wahrheit. Gralsbotschaft. Verlag der Stiftung Gralsbotschaft, Stuttgart. Aus dem Vortrag: „Eine Seele wandert“)
Nun könnte, wer sich in diese spirituelle Sicht der Dinge weiter vertieft, einwenden, dass hier der Weg einer Seele ins Jenseits beschrieben ist, die bereits von der Erde abgeschieden, das heißt definitiv gestorben ist, während die bekannten „Tunnelerlebnisse“, die Sterbende im Zuge von Nahtoderfahrungen haben, diese Dr. Moody zufolge offenbar zunächst lediglich außerhalb ihres Körpers bringen, die ursprüngliche Umgebung dabei also nicht verlassen wird.
Hier ist meines Erachtens aber Vorsicht geboten, damit nicht zwei unterschiedliche Vorgänge miteinander vermischt werden. Die unsterbliche Seele des Menschen trägt auf Erden zwei vergängliche „Hüllen“, nämlich – sozusagen als äußerste Schicht – den bekannten physischen Körper und – in diesem Sinne „darunter“ – den sogenannten Astralkörper, welcher, wie natürlich auch die Seele selbst, für die Augen des Erdenkörpers unsichtbar verbleibt. Bildhaft vielleicht vergleichbar mit Pullover und Unterhemd: Da der Pullover unmittelbar auf der Haut getragen unangenehm kratzen würde, trägt man darunter ein feineres Unterhemd. Ebenso dient der Astralkörper als vermittelndes Bindeglied zwischen der feinen Seele und dem groben Erdenkörper.
In gewisser Weise gehört der Astralkörper zum Erdenkörper dazu. Wir können uns den Astralkörper als Energiefeld vorstellen, das den Körper unsichtbar durchdringt und umgibt; diesem Energiefeld sind beispielsweise die geheimnisvollen Meridiane der traditionellen chinesischen Medizin zugehörig, welche die westliche Medizin bislang am grobstofflichen Erdenkörper vergeblich sucht, obwohl deren Wirkung nachgewiesen ist.
Der Theosophie oder Anthroposophie nahestehende Autorinnen und Autoren nehmen sogar noch Unterteilungen vor und unterscheiden Äther-, Emotional- und Mentalkörper (es gibt noch andere Bezeichnungen wie Lebens-, Empfindungs- und Ich-Leib etc.), die aber in diesem Sinne gemeinsam den Astralkörper bilden. Der Astralkörper ist der von der Seele abhängige Mittler zwischen der feinstofflichen Seele und dem physischen Körper und ist notwendig, damit die Seele den Körper zuerst aufbauen und dann auch beherrschen kann. Wie der Erdenkörper ist auch der Astralkörper vergänglich: Wenn die Seele des Sterbenden sich vom Astralkörper löst und sich sodann immer weiter von ihm entfernt, beginnt er zu verfallen, und erst der Verfall des Astralkörpers zieht die Zersetzung des Erdenkörpers nach sich.
Über die „Schicksalsfäden“ fest verbunden ist die Seele in erster Linie mit dem Astralkörper, während der Zusamenhalt des Astralkörpers mit dem Erdenkörper als „magnetartig“ beschrieben wird und durch die wechselseitigen Ausstrahlungen des Erdenkörpers sowie des Astralkörpers zueinander erfolgt. Zum Erleben einer „Ausleibigkeit“, das heißt, dass eine Person den eigenen Erdenkörper wie von außen (meist aus einer etwas erhöhten Position) wahrnimmt, kann es also im Zuge einer Nahtoderfahrung leicht kommen, sobald der verletzte oder todkranke Erdenkörper durch seine Krisis in der Ausstrahlung so sehr geschwächt ist, dass er den Astralkörper nicht mehr „magnetisch“ in sich zu halten vermag. Dann kommt es zu dem Phänomen, dass die Person aus dem Blickwinkel des über dem Körper schwebenden Astralkörpers das Geschehen aus einer Außenperspektive wahrnimmt. Auch die Schmerzleitung vom Erdenkörper zum ausgetretenen Astralkörper kann folgerichtig verringert oder sogar ganz unterbunden sein, wie aus den Berichten ersichtlich ist.
„Ausleibigkeit“ bedeutet aber nicht, dass der Astralkörper bereits völlig losgelöst wäre vom irdischen Körper (wäre das der Fall, so wäre keine Wiederbelebung mehr möglich, der Tod wäre unwiderruflich eingetreten), sondern es besteht während des Sterbens noch eine Verbindung vom Astralkörper zum Erdenkörper in Form der dehnbaren sogenannten „silbernen Schnur“, von der bereits im Alten Testament berichtet wird und die, ebenso wie der Astralkörper, von hellsichtigen Menschen wahrgenommen und beschrieben wird. Deshalb kann die Seele im Astralkörper sich meist nur eine gewisse Strecke weit vom Erdenkörper entfernen, solange diese nabelschnurartige Verbindung besteht, deren Haltbarkeit von Fall zu Fall – abhängig wohl von der inneren Einstellung des Sterbenden – sehr stark variieren kann.
Im Normalfall wird beim Sterben die Seele aber bestrebt sein, sich auch vom Astralkörper möglichst rasch zu lösen. Ich würde daher vermuten, dass es zu den bekannten „Tunnelerlebnissen“ im Zuge des Austretens der Seele aus dem Astralkörper kommt.
Diese Auffassung vertrat auch Dr. Richard Steinpach (1917–1992) in einem Vortrag mit dem Titel „Wieso wir nach dem Tode leben“, den er in den 1980er Jahren zum Thema der Nahtoderfahrungen hielt und mit dem er im gesamten deutschsprachigen Raum sehr erfolgreich war:
Kehren wir zurück zu Dr. Moodys Bericht vom „Leben nach dem Tod“. Viele der von ihm befragten Personen hatten ja mehr erlebt als den Zustand der „Ausleibigkeit“. Sofern sie „tiefer in das Reich des Todes eingedrungen waren“, hatten sie ein bemerkenswertes Erlebnis: Es war ihnen, als glitten sie durch eine finstere Enge, ein Tal, eine dunkle Röhre, einen Tunnel. So schwer sich ein jenseitiges Erlebnis in irdische Wortbegriffe fassen lässt, so sprachen die Betroffenen bezeichnenderweise übereinstimmend davon, sie seien „herausgezogen“, beziehungsweise bei ihrer Rückkehr ins Erdenleben „hineingezogen“ worden. Hier haben wir es also bereits mit dem nächsten Abschnitt, dem Fortstreben der feinstofflichen Seele vom Astralkörper, also ihrem Herausziehen aus diesem zu tun. In diesen Augenblicken des Überganges, der fortstrebenden Bewegung, kann der Geist nun nicht mehr durch die Augen des Erden- oder Astralkörpers, aber auch noch nicht durch jene des erst im Freiwerden begriffenen feinstofflichen Körpers blicken. Er hat daher vorübergehend den Eindruck der Finsternis. Es ist, als wäre man in einem Lift zwischen zwei Stockwerken unterwegs. Da kann man auch nicht nach außen blicken, sondern muss warten, bis man die nächste Etage erreicht.
Dass diese nächste Etage, in welche die Seele nun eintritt, tatsächlich eine schneller schwingende Welt ist, wird durch ein akustisches Erlebnis unterstrichen, das die befragten Personen bei diesem „Herausgezogenwerden“ hatten. Sie hörten nämlich ein Geräusch und beschrieben es wie das Dröhnen einer Glocke, ein Rauschen, Tosen, einen Knall. Danach befanden sie sich plötzlich in der Helle einer neuen Welt, das Irdische war ihnen entschwunden. Nun wissen wir doch aus einer Vielzahl irdischer Erscheinungen, dass dort, wo zwei unterschiedlich schnelle Bewegungen aufeinandertreffen, derart akustische Effekte entstehen. Denken wir nur an das Entkorken einer Sektflasche, das Knallen einer Peitsche, oder – deutlicher noch – an den Knall, der entsteht, wenn ein Überschallflugzeug die Schallgrenze durchbricht. So ist auch für die Seele der Eintritt in ihre neuen Daseinsform wie das Durchbrechen einer Schallmauer. Sie wechselt über in eine Welt schnellerer Schwingung.
(Dr. Richard Steinpach, Manuskript eines Vortrages. Sonderdruck mit freundlicher Genehmigung des Verfassers, S. 30f)
Fassen wir zusammen
Nahtoderlebnisse und Jenseitserfahrungen sind so alt wie die Menschheit selbst.
Eher neu ist hingegen, dass viele Menschen heute an ein Jenseits nicht mehr glauben wollen oder können. Sie sind bestrebt, Nahtoderlebnisse als Halluzinationen zu interpretieren, die irgendwo in den Tiefen des Gehirns unter Einwirkung von besonderem Stress oder durch Sauerstoffmangel entstehen.
Im Gegensatz dazu gibt es auch Forscher, die davon ausgehen, dass den Erlebnissen, von denen viele Sterbende nach deren Reanimierung berichten, reale Gegebenheiten zugrunde liegen und dass das Leben mit dem Tod nicht endet, sondern lediglich in einen anderen Bereich wechselt.
In diesem Sinne markant sind unter den Schilderungen im Rahmen von Nahtoderfahrungen besonders die Ausleibigkeit sowie das Tunnelerlebnis. Zur Erklärung dieser Phänomene hilft mir der Begriff des Astralkörpers, auch als Ensemble von Äther-, Emotional- und Mentalleib bzw. als Energiekörper bekannt. Meiner Meinung nach kommt es zum Tunnelerlebnis, wenn die feinstoffliche Seele im Sterbeprozess aus dem Astralkörper austritt, um die Erdenwelt zu verlassen und in die ihrer Beschaffenheit nach gleichartige jenseitige Region hinüberzugehen.
Zur Erfahrung von Ausleibigkeit wäre das aber noch gar nicht erforderlich. Ausleibigkeit entsteht bereits, sobald der Körper so sehr geschwächt ist, dass der magnetische Zusammenhalt mit dem Astralkörper verloren geht. Dadurch kommt es zur Bewegungsunfähigkeit des Körpers, eventuell verbunden mit der Wahrnehmung desselben aus einer meist etwas erhöht gelegenen Außenperspektive, wie wenn man seinen eigenen Körper von der Zimmerdecke aus beobachten könnte. Eine Lockerung (aber keine Lösung) des festen Zusammenhaltes zwischen Astral- und Erdenkörper erfolgt übrigens bereits während des Schlafes (bitte lesen Sie dazu auch meinen Beitrag: Schlafes (Stief)Bruder). Es liegt nahe, auch die sogenannten „Astralreisen“, über die von Yogis in tiefer Meditation berichtet wird, in diese Richtung gehend zu erklären.
Ein Beitrag von Simon A. Epptaler
Ein Gedanke zu “Ein „Tunnel“, der ins Jenseits führt”