Jenny Cockell: Erinnerungen an ein Dutzend Erdenleben

Die Lebensgeschichte von Jenny Cockell nimmt unter den Berichten über Reinkarnation einen besonderen Stellenwert ein: Der Engländerin gelang es unter anderem, ihre Kinder aus einem früheren Leben, in dem sie als junge Mutter verstorben war, wieder ausfindig zu machen und Erinnerungen mit ihnen auszutauschen. Doch das war nur der Beginn: Nach und nach tauchten bei ihr daraufhin Erinnerungen aus weiteren Leben auf, die teilweise ebenfalls verifiziert werden konnten.

In unserem ausführlichen Interview erzählt sie ausführlich von ihrer Geschichte – und weshalb sie inzwischen davon überzeugt ist, dass es gar nicht unbedingt gut ist, etwas über vergangene Leben zu wissen.

Jenny, Sie haben drei Bücher geschrieben, die Erinnerungen an vergangene Erdenleben thematisieren. In Ihrem ersten Buch, „Unsterbliche Erinnerung“, beschreiben Sie, wie es Ihnen gelang, ein früheres Leben zu erforschen, das Sie in Irland geführt haben, als Mutter mehrerer Kinder, die damals jung starb. Sie konnten schließlich tatsächlich die Kinder aus Ihrem vergangenen Leben – inzwischen in hohem Alter – wieder treffen. Bitte erzählen Sie uns, wie es zu diesen Erinnerungen kam.

COCKELL: Es sind sehr viele Fälle von Kindern dokumentiert, die sich an vorherige Leben erinnern. Ich war eines davon. Man erinnert sich eher an Bruchstücke, an Einzelheiten, genau so, wie wenn man sein jetziges Leben rückblickend betrachtet. Man erinnert sich an Dinge, die passiert sind, an Orte oder Familienmitglieder. An Begebenheiten, die man mit seiner Familie erlebt hat. Vor allem erinnerte ich mich an Malahide in Irland und daran, Mutter von acht Kindern zu sein. Ich wusste, wie das Dorf aussah, in dem ich gelebt hatte. Als ich noch sehr jung war, zeichnete ich Karten, und als ich dann einen Atlas in die Hände bekam, dachte ich, nun müsste ich doch erforschen können, wo ich gelebt habe. Ich vertiefte mich also in den Atlas, und der einzige Ort, der bei mir eine Resonanz hervorrief, war Malahide. Ich war mir bald ziemlich sicher, dass Malahide das Dorf war, nach dem ich suchte.

Ich erinnerte mich auch an die acht Kinder unserer Familie und an viele kleine Vorkommnisse – wie zum Beispiel, dass wir eine Matratze befüllten. Die Matratze musste jedes Jahr neu mit Spreu befüllt werden, die von der Ernte übrig blieb, denn zum Ende des Jahres war sie immer hart zusammengepresst. Ich erinnerte mich daran, in einem Jahr zu viel Spreu in die Matratze gestopft zu haben. Wir bekamen sie nicht zurück durch die Tür und begannen alle zu lachen. Solcherlei Dinge, prägten meine Erinnerung, kleine Vorkommnisse.

Ich erinnerte mich auch an ein Leben in Japan. Aber manchmal war es nicht leicht, die Fragmente zusammenzusetzen. Zum Beispiel die große Angst, von einem Lastwagen überfahren zu werden, die ich als kleines Kind hatte, wenn ich auf dem Bürgersteig ging. Sie passte zu meinen Erinnerungen an bestimmte Verletzungen, die darauf hindeuteten, dass ich in einem früheren Leben wirklich einmal überfahren worden bin.

Wann hatten Sie zu ersten Mal Erinnerungen an ein vorheriges Leben?

COCKELL: Ich hatte die Erinnerungen an ein früheres Leben schon immer, habe jedoch nie darüber gesprochen bis ich in die Sonntagsschule kam. Da war ich drei Jahre alt. Wir sprachen in der Schule über den Tod und darüber, was nach dem Leben geschieht. Und ich konnte nicht begreifen, warum wir nicht auch über die Dinge vor diesem Leben sprechen. Also wandte ich mich an meine Mutter. Ich erinnere mich daran, auf dem Küchenstuhl zu sitzen, während sie gerade abwusch. Sie war wohl etwas überrascht, als ich ihr von meinen Erinnerungen erzählte und sagte dann: „Oh, das ist ein Glaube! Man nennt das Reinkarnation.“ Und ich dachte mir: Warum soll das nur ein Glaube sein?

Mehrere Jahre vergingen, und ich verstand wirklich nicht, weshalb nicht auch andere Menschen von ihren Erinnerungen sprechen. Ich dachte, dass sie es vielleicht deshalb nicht tun, weil sie sie nicht wahr haben wollen, dass sich aber doch bestimmt jeder an andere Leben erinnern kann, wenigstens an ein oder zwei. Es dauerte lange, bis mir klar wurde, dass sich andere Menschen wirklich nicht erinnern können.

Außerdem konnte ich als Kind natürlich nicht alles das tun, was ich wollte. Besonders gern hätte ich Irland besucht, um herauszufinden, was dort mit meinen Kindern geschehen war. Das wurde mir aber erst im Erwachsenenalter möglich. Als ich in diesem Leben Kinder hatte, wurde mir klar, wie sehr ich meine Erinnerungen unterdrückt hatte, um mein jetziges Leben zu bewältigen. Irgendwann konnte ich dann nicht mehr, die Sorgen belasteten mich zu sehr, ich musste etwas tun. Da traf ich zufälligerweise auf jemanden, der Rückführungshypnose praktizierte. Das habe ich ausprobiert, es hat mir weitergeholfen, aber die Sache auch schwieriger gemacht, weil nun alle meine Erinnerungen schärfer ins Bewusstsein rückten.

Ich begann also mit meinen Nachforschungen und habe zunächst, an einem Wochenende, das irische Dorf Malahide besucht. Das war wirklich sehr sonderbar. Wer von einem Ort wegzieht und nach langer Zeit wieder zurückkehrt, bemerkt zuerst ja alle Veränderungen. So ging es mir: Statt eines Bauplatzes, an den ich mich erinnerte, fand ich ein Geschäft vor. Als ich zum Steg ging, fiel mir auf: Oh, der ist ja aus Beton! Früher war er aus Holz gewesen. Aber ich konnte mich in Malahide problemlos zurechtfinden. Ich ging eine Gasse entlang, auf der Suche nach dem Haus, das ich früher immer gezeichnet hatte. Es lag auf der Straße nach Swords. Ich wusste, dass es das erste Haus auf der linken Seite war – aber als ich dort ankam, standen dort nur noch Ruinen – und Neubauten, was verwirrend für mich war. Trotzdem wusste ich, dass ich den richtigen Ort gefunden hatte.

Nach meiner Rückkehr aus Malahide setzte ich die Nachforschungen fort, begann Leute anzuschreiben. So gelang es mir schließlich, einen Nachbarn ausfindig zu machen, der sich an meine Familie erinnerte und mir deren Nachnamen nannte. An den hatte ich mich selbst nicht erinnern können. Ich wusste bis dahin nur, dass mein Vorname Mary gewesen war.

Und dass Sie Mutter mehrerer Kinder waren …

COCKELL: Ja. Und nun wusste ich, wo das war, was ich schon als Kind entdeckt hatte. Genauso war es mit meinen Erinnerungen an Japan. Ich wusste, wo ich gelebt hatte, dass es das nördlichste Gebiet der Südinsel war. Und obwohl es Lücken gab, waren die Erinnerungen kontinuierlich. Ich wusste auch, wann es war und hatte eine grobe Zeitskala. Aber es ist ärgerlich, dass Erinnerungen an vorherige Leben so subjektiv sind. Man erinnert sich daran, was man empfindet, man erinnert Gerüche, wie Dinge sich anfühlen, Emotionen. Aber man erinnert sich nicht an seine Telefonnummer oder an irgend etwas für Nachforschungen Brauchbares. Jeder, der so etwas behauptet, erinnert sich wahrscheinlich nicht wirklich an vorherige Leben. Ich vermute, dass das an dem Übergang liegt. Es gibt Erinnerungen, die von einem Leben zum anderen übertragen werden. Aber viele Dinge, die man jetzt im Leben als wichtig betrachtet, werden durch den Prozess des Übergangs unwichtig. Was bleibt, sind Eindrücke – das, was man gesehen hat, was man angefasst hat, die Haptik der Kleider, Gerüche, die Art, wie man Ereignisse erlebt hat …

Meine Kinder in Irland … Ich erinnere mich zum Beispiel an Frank, den jüngsten Sohn, wie er die ganze Zeit mit dem Saum seiner Kleidung herumgespielt hat. Es war etwas irritierend, er hatte seine Finger immer an den Enden seiner Kleidung. Ich denke, er war nervös … Frank war ein sehr stiller Junge. An solche Eigenheiten habe ich mich erinnert.

Was hat Sie vor allem zu Ihren Nachforschungen motiviert?

COCKELL: Das Bedürfnis, die Kinder zu finden. Ich musste herausfinden was mit Ihnen geschehen war. Natürlich ging es mir auch um die Gewissheit, dass meine Erinnerungen keine Täuschung waren, denn mir wurde von anderen immer wieder gesagt: „Nein, so etwas gibt es nicht wirklich“. Ich wollte also Beweise finden, vor allem für mich selbst. Ich wollte sagen können: „Schaut her, das sind meine Erinnerungen – und sie sind echt!“

Ich bin dann mit meiner Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen, weil das wie eine Erlösung war. Ich hatte keine Probleme mit dem Thema mehr. Außerdem hatte ich festgestellt, dass es auch andere Menschen gab, die im gleichen Boot sitzen wie ich. Ich dachte, dass es für sie hilfreich sein könnte, wenn ich meine Geschichte erzähle, dass sie es dadurch vielleicht etwas leichter haben als ich in meiner Kindheit. Denn ich war auf sehr viel Ablehnung gestoßen. Man wollte mir einfach nicht glauben. Das war ziemlich schwer, aber es hat mich Toleranz gegenüber anderen Ansichten gelehrt. Wenn ich erwarte, dass andere Menschen meine Sicht der Dinge akzeptieren oder mir zuhören, dann muss ich auch selbst akzeptieren, dass es noch andere Betrachtungsweisen als meine gibt.

Wie haben denn Ihre Eltern auf Ihre Erinnerungen reagiert?

COCKELL: Meine Mutter ziemlich gut. Ich glaube, sie tat sich schwer damit, war aber doch einigermaßen aufgeschlossen. Sie hat ja miterlebt, wie ich all die Karten zeichnete, als ich aufwuchs, und wie ich ziemlich besessen von Malahide war. Aber als dann die Beweise folgten und die Zusammenhänge klar wurden, sah sie natürlich einen Sinn darin, wie ich mich benommen hatte. Für meinen Vater, denke ich, war es viel schwieriger. Aber schließlich hat er mein Buch gelesen. Er leidet an schwerer Legasthenie, es war das einzige Buch, dass er je gelesen hat. Das war sehr schön.

Ihre Nachforschungen zu Ihrem früheren Leben in Irland fanden in den 1970-er Jahren statt. War diese Arbeit damals besonders schwer?

COCKELL: Sie war schwer, weil es nichts gab. Wir hatten kein Internet. Alles war mühevolle Kleinarbeit. Ich musste ins Staatsarchiv gehen, Leute anschreiben, Orte aufsuchen. Ja, es war eine ziemlich anstrengende Recherchearbeit.

Sind Sie in der Folge öfter nach Irland gereist?

COCKELL: Viele Male, ich habe aufgehört zu zählen. Manchmal waren es nur Tagesausflüge … Ich fand es großartig, wie ein Pendler kurz nach Irland zu reisen. Ich kam auch mehrmals zurück nach Malahide.

Aber ihre allererste Reise blieb wohl die interessanteste …

COCKELL: Sie war wahrscheinlich am hilfreichsten. Ich war allein unterwegs und nur übers Wochenende dort – aber alles, woran ich mich erinnert hatte, entrollte sich damals vor mir. Als ich durch den Ort ging, wusste ich genau, wo ich hin muss. An einer Stelle, auf halbem Weg in der Kirchstraße, wollte ich nach links gehen, um eine Abkürzung zu nehmen, stellte aber fest, dass da ein Haus steht. Es gab keine Abkürzung. Später habe ich dann erfahren, dass es dort tatsächlich einen Weg gab – und man erzählte mir auch, dass er zu Marys Schwester geführt hatte. Deswegen dachte ich wahrscheinlich sofort an diesen Weg, als ich an der Kirche vorbei ging. Es war mein Weg zum Besuch der Schwester!

Sehr interessant war es schließlich auch, als ich meine früheren Kinder gefunden hatte. Wenn einer von ihnen anfing, eine Geschichte zu erzählen, konnte ich einhaken – „Oh ja …“ – und sie zu Ende erzählen. Oder ich begann mit einer Geschichte und die anderen haben sie beendet. Das waren schöne Bestätigungen!

Es gelang Ihnen also Ihre Familie in Irland ausfindig zu machen. Was ist aus den Kindern geworden, nachdem Sie in diesem früheren Leben als ihre Mutter verstorben sind?

COCKELL: Sie wurden alle in ein Waisenhaus gebracht. Ihr Vater war unfähig, sich um sie zu kümmern. Er war alkoholkrank. Deshalb hat man ihm die Kinder weggenommen. Die Jungs und Mädchen wurden voneinander getrennt. Nur der älteste Sohn blieb bei seinem Vater, weil er schon alt genug war, um zu arbeiten – jedenfalls für die damaligen Verhältnisse; heute würden wir ihn noch als Kind betrachten. Nach der Trennung haben die Mädchen und die Jungs einander nicht mehr gesehen. Und die Jungs wurden durch verschiedene Umstände voneinander getrennt und haben sich auch nicht mehr getroffen. Bis meine Nachforschungen die Familie zusammenführten, war sie zersplittert.

Sie sind in Ihrem früheren Leben als Mary wohl recht jung gestorben …

COCKELL: Ja, ich war etwa 37, also ziemlich jung, und hatte gerade mein achtes Kind, Elizabeth, zur Welt gebracht – was bemerkenswert ist, denn genau diesen Namen habe ich als Kind meiner Puppe gegeben. Ich erinnere mich an das Krankenzimmer, in dem ich lag, und an das Sterben. Ich erinnere mich, dass das Zimmer Elektrizität hatte, woran ich nicht gewöhnt war, weil wir zu Hause keine hatten. Die Gänge waren beleuchtet.

Und es war recht merkwürdig, als ich dieses Krankenzimmer während meiner Nachforschungen wieder besuchte. Als erstes dachte ich: Oh, da sind ja zwei Fenster. In meiner Erinnerung hatte es nur eines gegeben. Aber als ich dann genau dorthin ging, wo das Bett gestanden war, konnte ich tatsächlich nur ein Fenster sehen, denn eine Säule ragte hervor und verdeckte das zweite.

Es gelang mir also, das Zimmer zu finden, aber es war sehr aufwühlend, in das Krankenhaus zurückzukehren und all die Erinnerungen zu spüren …

die vielen damit verbundenen Emotionen …

COCKELL: Oh ja! Auf so ein Erlebnis kann einen niemand vorbereiten! Es ist eine gewaltige Achterbahnfahrt der Gefühle! Viele forschen mit Kindern, die sich an frühere Leben erinnern. Aber diese Kinder werden oft gar nicht gefragt, wie sie sich dabei fühlen. Ein ziemlich zweischneidiges Schwert …

Es ist wunderbar, wenn man sich ein früheres Lebens bewusst machen kann, aber ein Teil von dir ist noch in der Vergangenheit, und plötzlich wirst du von allem wieder eingeholt. Du erinnerst dich an die Kinder, Du erinnerst Dich an die Familie zum Zeitpunkt Deines Todes … Und wenn du diese Menschen dann tatsächlich wieder triffst, bist du unwillkürlich noch in dieser Vergangenheit. Das ist wirklich sehr verstörend. Die Sache ist es gewiss wert, aber es dauert eine ganze Weile, bis man wieder sein Gleichgewicht findet.

Aber gerade die Emotionen und die Lebendigkeit in der Geschichte wirken überzeugend!

COCKELL: Ja, es geht vor allem um Emotionen. Wenn es nur um nüchterne Fakten ginge, würden die meisten Kinder sich wohl gar nicht weiter um ihre Erinnerungen an früher kümmern. Erst die emotionelle Verbindung zur Vergangenheit motiviert dazu, herauszufinden, was geschehen ist.

Haben all die Erinnerungen auch Ihr jetziges Leben stark beeinflusst?

COCKELL: Früher haben sie mein jetziges Leben geradezu überschwemmt. Immer wenn es mir gelungen war, ein früheres Leben zu verstehen, geschah etwas, sodass ich ein noch tiefer verborgenes Leben zu erinnern begann. Aber kürzlich habe ich aufgehört, Nachforschungen anzustellen, weil ich ja schon so viele Leben ergründen konnte.

Erzählen Sie uns bitte noch ausführlicher von Ihrer Suche nach den Kindern, die Sie als Mary hatten und wie Sie sie schliesslich wieder getroffen haben.

COCKELL: Sie waren in verschiedene Waisenheime geschickt worden. Anfangs schrieb ich alle Heime in Dublin an. Ich wusste noch nicht, dass einige der Jungs zunächst nach Dublin, dann aber weiter nach Cork geschickt worden waren, weil sie in Dublin weggelaufen sind. Man dachte, dass sie nicht von zu Hause weglaufen könnten, wenn sie in Cork sind. Doch viele Waisenheime wurden damals aus politischen Gründen geschlossen, die Kinder von Pflegefamilien aufgenommen und dann zur Adoption gegeben.

Ein sehr netter Pfarrer, dessen Waisenhaus gerade geschlossen worden war, half mir. Er fand die Taufscheine einiger Kindern aus Malahide. Das führte mich zu den Namen und genauen Geburtsdaten, denn über die Namen der Kinder war ich mir bis dahin unsicher gewesen.

Dann wusste ich nicht, wie ich weiter vorgehen sollte, und schaltete einfach eine Zeitungsanzeige. Tatsächlich meldete sich jemand und gab mir die Telefonnummer von einem der Brüder. Ihn habe ich angerufen. Telefonate sind zwar nicht meine bevorzugte Kommunikationsform, aber ich rief an. Es war nicht einfach. Denn was sagt man da? Ich habe vorher geprobt, aber trotzdem verspricht man sich leicht. Briefe sind mir lieber, da kann man sich Zeit nehmen und genau das ausdrücken, was man mitteilen will.

Es gelang mir in diesem Gespräch, auch die Telefonnummer des älteren Bruders, Sonny, zu erhalten. Aber ich war so aufgeregt, dass ich einige Wochen brauchte, bis ich weitermachen konnte.

Zwischenzeitlich sah ich eine Fernsehdokumentation über Erinnerungen an frühere Leben und dachte, vielleicht könnte mir jemand von dem Filmteam helfen, der zwischen mir und dem älteren Bruder vermitteln und so die Dinge etwas abfedern kann. Ich setzte mich also mit der BBC in Verbindung, und eine Redakteurin war bereit, Sonny und mich getrennt zu interviewen, noch bevor wir uns persönlich treffen. Das Interview wurde dann zwar aus dem Programm genommen, doch das war ein Segen, weil es zu diesem Zeitpunkt zu viel Druck bedeutet hätte. Wir hatten uns ja noch gar nicht kennengelernt.

Als wir uns dann trafen, lagen bereits seitenweise Informationen über Sonnys Kindheit vor, meine Erinnerungen und seine. Es gab neun Seiten mit Schilderungen von Details, die übereinstimmten, zum Beispiel zur Frage, ob wir Haustiere hatten. Ich erinnerte mich: Ja, wir hatten einen Hund, und beschrieb ihn. Es sei nicht mein Hund gewesen, sondern er gehörte den Kindern. Und tatsächlich … meine Beschreibung glich der von Sonny … Waren da noch weitere Tiere? – Nun, nur ein Esel … Oder die Füllung der Matratzen … Es gab jede Menge verschiedener Ereignisse, die übereinstimmten.

Dann fuhr ich zu Sonny, um ihn persönlich zu treffen, was ausgesprochen gut verlief. Er nahm mich sehr gut an.

Wie alt war er damals?

COCKELL: Zu der Zeit war er etwa 72, glaube ich.

Und wie alt waren Sie?

COCKELL: Ich war an die 40. Ich habe Sonny gegenüber nichts von Reinkarnation gesagt. Ich dachte, es wäre keine gute Idee, damit zu beginnen. Ich habe von Erinnerungen gesprochen, von Träumen, weil ich annahm, dass das leichter verständlich sei. In Wirklichkeit hatte ich nur meinen damaligen Tod in Träumen erinnert.

Wir haben uns dann öfter getroffen, ich besuchte ihn auch einige Male auf Tagesreisen. Und schliesslich hat er die Reinkarnation ins Gespräch gebracht, und ich sagte zu ihm: „Ja, ich sehe das so. Wie empfindest du das?“ Und er schien ganz zufrieden mit dieser Betrachtungsweise …

Er hat mich auch dazu ermutigt, aus meinen Aufzeichnungen ein Buch zu machen. Ich war mir damals nicht sicher, ob es gut ist, an die Öffentlichkeit zu gehen – vor allem aus Sorge um die Familie. Aber während ich an dem Buch arbeitete, gelang es uns, Sonnys Brüder und Schwestern zu finden. Schließlich wurde mein Manuskript vom Verleger akzeptiert. Ich bin Legasthenikerin, wie mein Vater. Es kostete mich viel Arbeit, es in eine passende Form zu bringen. Ich habe Jahre damit verbracht, die Rechtschreibung zu lernen. Aber ich habe es geschafft – zielstrebig!

Der Verlag organisierte die erste Zusammenkunft der Kinder. Es gelang uns mit einigem Aufwand, alle noch lebenden Geschwister zu finden. Und so saßen wir dann an einem Tisch, und ich wusste nicht, ob ihnen klar ist, dass ich von Reinkarnation ausgehe, denn ich hatte das nicht allen gegenüber erwähnt. Aber Sonny sprach es aus und fragte: „Nun, was denkt ihr?“ Es stellte sich heraus, dass alle meine Erinnerungen akzeptieren konnten. Ein oder zwei dachten, dass ich vielleicht eine Art seelische Verbindung mit ihrer Mutter hätte. Die anderen konnten es als Reinkarnation betrachten. Ich hätte – aus Toleranz gegenüber anderen Ansichten – auch nicht darüber diskutiert. Es steht mir nicht zu, jemandem seine Sichtweise vorzuschreiben. Ich habe einfach erzählt, was ich erlebt habe und es jedem überlassen, sich seine eigene Meinung darüber zu bilden. Ich denke, das ist der einzig faire Weg – vor allem gegenüber Kindern, die einem am Herzen liegen.

Haben Sie das empfunden, als Sie mit ihnen zusammen saßen? Waren Sie sich darüber bewusst, dass das Ihre Kinder sind?

COCKELL: Wenn man Menschen trifft, die man aus einem früheren Leben kennt – und ich habe das jetzt schon ein paar Mal erlebt –, dann ist man sich sehr bewusst, dass man selbst nicht mehr die ist, die man einmal war. Man weiß, was man empfindet, aber man ist in einem anderen Körper und wird daher nicht als die Person wahrgenommen, die man einmal war. Aber es gibt auf jeden Fall etwas, das man zusätzlich zu den Genen ins Leben mitbringt: Die innere Persönlichkeit bleibt dieselbe und empfindet ähnlich, auch wenn man anders aussieht als zuvor und andere Eigenheiten hat … obwohl ich eine ganze Menge gleicher Angewohnheiten habe.

Jedenfalls war ich damals wohl sehr nervös. Ich wollte niemanden aus der Fassung bringen. Ich war einfach begeistert, weil ich die Kinder gefunden hatte, gleichzeitig aber vor allem deshalb aufgeregt, weil über unser Treffen eine Dokumentation gedreht werden sollte. Ich fragte mich, ob es richtig war, dass diese erste Familienzusammenkunft öffentlich stattfindet. Aber es zeigte sich dann, dass niemand Probleme damit hatte.

Hätten Sie die Kinder nach so langer Zeit wiedererkannt?

COCKELL: Physisch wohl nicht, aber ihre Persönlichkeiten unbedingt. Es waren weitgehend die gleichen, an die ich mich erinnerte. Der Junge, der immer schelmisch gewesen war, war es jetzt auch. Die Stille, Zurückhaltende beobachtete auch jetzt die anderen und überließ ihnen das Sprechen. Sonny, der immer sehr direkt war, war es noch. Ich erkannte alle Persönlichkeiten sofort wieder.

Wie haben die Kinder Sie und ihre Erinnerungen aufgenommen? Was war Ihr Eindruck?

COCKELL: Alle hatten eine etwas andere Meinung. Christian ging zu seinem Pfarrer, der ihm sagte: „Nun, wir glauben im Allgemeinen nicht an Reinkarnation, aber offensichtlich geht hier etwas vor sich.“ Christian akzeptierte, dass ich seine Mutter gewesen war. Die beiden Mädchen konnten sich mit dem Reinkarnationsgedanken nicht ganz anfreunden, sie dachten eher, dass ich vielleicht irgendwie Zugang zu den Erinnerungen ihrer Mutter hatte. Die beiden waren wirklich sehr lieb, ich fühlte mich ihnen verbunden, doch wegen des großen zeitlichen Abstandes zu meiner früheren Inkarnation blieben sie irgendwie einen Schritt entfernt. Dennoch hatte unsere Beziehung bis zu ihrem Lebensende Bestand, was mich sehr glücklich gemacht hat. Als ich sie diesmal verlor, wusste ich genau, was mit ihnen geschehen war. Es war ganz anders, als wenn man Kinder im Ungewissen zurücklassen muss, ein viel natürlicherer Prozess.

Einige der anderen Leben waren etwas leichter zu erforschen. In Japan gestaltete es sich hingegen schwerer, Informationen über die genaue Person zu finden …

Woher wussten Sie überhaupt, dass Sie auch in Japan suchen müssen?

COCKELL: Das war eine weitere Erinnerung, die ich schon seit meiner Kindheit hatte, ohne jede Hypnose. Ich wusste in groben Zügen, wo der Ort war, an dem ich gelebt hatte, im Norden der Südinsel an der Küste, und ich malte Bilder. Ich weiß nicht mehr, was meine Nachforschungen ausgelöst hat, aber schließlich habe ich eine detaillierte Karte von Japan gefunden – und die Halbinsel, wie ich sie gesucht hatte. Damit war ich ein gutes Stück weiter.

Ich habe dann einfach wie besessen immer weiter geforscht, konnte auch eine Reise nach Japan unternehmen und mir die Gegend ansehen. Dabei begleitete mich eine japanische Filmproduktionsgesellschaft, aber ich war vor Ort nicht besonders erfolgreich. Vermutlich fehlte mir die Zeit, mich zu entspannen, nachzudenken, mir darüber gewiss zu werden, wo ich war.

Als ich zurückkam, brachte ich mir selbst bei, japanisch zu schreiben, so dass ich Anfragen verschicken konnte. Heute könnte ich das nicht mehr, aber damals habe ich mich voll darauf konzentriert. So fand ich viel von der Gegend heraus, um die es mir ging und erfuhr zum Beispiel, wann welche Brücken gebaut wurden … denn ich erinnerte mich an eine Fahrt mit dem Boot, bei der ich ins Wasser fiel.

Schließlich kam ich in Kontakt mit einer japanischen Frau, die meinen Erinnerungen nachging und die Gegend besuchte. Die Leute, um deren Familie es in meinen Nachforschungen ging, wurden von der Filmgesellschaft interviewt. Und ein Umstand ließ dann aufhorchen: Auf meinen Bildern hatte ich das Haus, um das es ging, am Rand einer Klippe gemalt. Die japanische Frau, die mir half, fragte: „Sie meinen doch nicht wirklich, dass es so weit vorn an der Felskante stand?“ Und ich sagte: „Doch, genau am Rand der Klippe. Es hatte eine kleine Veranda, von der man hinaus und hinunter auf das Meer sehen konnte, das war wunderbar!“ Sie meinte: „Ich kann mir das nicht vorstellen, aber wir können ja nachfragen!“ Als dann die Familienangehörigen davon hörten, sagten sie nur: „Woher wussten Sie von dem Haus? Es ist vor Jahren abgerissen worden. Es gehörte über lange Zeit der Familie. Das Haus wurde immer im Sommer benutzt.“

Viele Einzelheiten in meinen Angaben stellten sich als richtig heraus. Zum Beispiel erinnere ich mich daran, wie ich in Japan damit begann, lesen und schreiben zu lernen – zur Zeit der Restauration, als Mädchen zum ersten Mal Schulbildung erhielten …

Das war in Ihrem damaligen Leben?

COCKELL: In dem Leben damals, ja!

Wann war das?

COCKELL: Wir sprechen von der Zeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts, die 1860-er und frühen 1870-er Jahre. Es war ein kurzes, ein sehr kurzes Leben.

Wissen Sie Näheres von den Umständen, was genau geschehen ist?

COCKELL: Ja, es war mein Leben vor Mary. Als Kind in meinem jetzigen Leben habe ich mich häufig daran erinnert, auf der Veranda zu stehen und nur das Wasser zu beobachten. Es war absolut fesselnd. Das Meer war unruhig, es wogte und schäumte. Ich wollte nie ganz bis zum Rand der Veranda vorgehen, weil ich der Brüstung nicht traute. Und ich erinnere mich daran, einige seltsame Arbeiten rund ums Haus erledigen zu müssen, Putzarbeiten, wie sie für Kinder anscheinend sehr ungewöhnlich waren. Wir machten auch Ausflüge mit dem Boot, und ich erinnere mich besonders an den, der für mich das Ende jenes Lebens bedeutete – was mit schrecklichen Schuldgefühlen verbunden war.

Warum das?

COCKELL: Es hatte mit der Mentalität zu tun. Ich sollte jemanden treffen, mit dem mein Vater mich verheiraten wollte, und ich konnte seinen Wunsch nicht erfüllen. Es war ein Schuldgefühl, weil es mir nicht gelungen war zu überleben …

Sie schreiben in einem Buch, dass das Boot gesunken ist …

COCKELL: Es war ein Zusammenstoß, der mich und einige andere Leute über Bord warf. Ich hatte nie schwimmen gelernt. Es war also eine ziemlich unnötige Geschichte. Ich fand nie vollständige Aufzeichnungen darüber und konnte, was dieses Erlebnis betrifft, nur Einzelheiten bestätigt finden.

Über das letzte Leben, zu dem ich in jüngerer Zeit etwas erforschen konnte, habe ich bisher noch nichts veröffentlicht.

Wo war das?

COCKELL: Gateshead! Als fünf oder sechsjähriges Kind hatte ich immer panische Angst davor, von einem Lastwagen überfahren zu werden. Ich war extrem vorsichtig beim Überqueren von Straßen. Und es gab in meiner Erinnerung noch andere Einzelzeiten – ein Haus, das ich viele Jahre lang gesucht hatte, von dem ich mir sicher war, dass ich es eines Tages betreten werde. Schließlich stellte sich heraus, dass es in Gateshead stand.

Je mehr Zusammenhänge mir von einem früheren Leben bewusst wurden, umso mehr traten in meiner Erinnerung weitere Leben in den Vordergrund, die ich erforschen wollte. Mit diesem letzten Leben verbanden mich Erinnerungen an Verletzungen. Meine Beine waren zerschmettert – aber mir war nicht bewusst, was nach dem Unfall geschah.

Wann war das?

COCKELL: 1945, ich war sechs Jahre alt in diesem Leben, das zwischen dem jetzigen und meinem Leben als Mary lag. In dem Fall half mir Hypnose, mich an einige Dinge zu erinnern, etwa an ein paar Buchstaben, die im Straßennamen enthalten waren, ein Doppel-L und ein E. Es stellte sich heraus, dass der Name „Elliot“ war.

Ich erinnere mich auch an meine Schule. Aber ich brauchte sehr lange, um dieses Leben zu erforschen, denn es war beunruhigend zu wissen, dass meine damalige Mutter noch am Leben war. Zu ihr zu gehen und zu sagen, ich erinnere mich daran das Kind zu sein, das du verloren hast … das habe ich jahrelang vermieden. Aber schließlich fand ich ein Mitglied der Familie, wir sind immer noch in Kontakt. Die Sache ist gut ausgegangen. Es war einfacher als früher. Ich glaube, dass ich viel entspannter damit umgehen und darüber sprechen konnte.

Wie war die Reaktion der Familie?

COCKELL: Großartig! Ich legte die Beweise vor, die ich hatte, und wir sprachen über einige Details, auch über Dinge, an denen ich meine eigenen Gewohnheiten wiedererkannte. Als ich meine ersten weißen Haare bekam, sagte ich zum Beispiel oft: „Oh ja, ich werde blond!“ Und als ich im Gespräch mit den Verwandten erwähnte, dass „CC“ dunkles Haar gehabt hatte, sagte der Ehemann der Mutter: „Nun, das hatte ich auch, aber jetzt werde ich blond!“ Und ich dachte: Oh! Da hat sich wohl etwas übertragen …

Mit der Zeit wurde ich bei solchen Kontakten entspannter. Und heute denke ich alles in allem, dass man fähig sein sollte, vergangene Leben zu vergessen und ganz dieses Leben zu leben. Bei mir hat es lange gedauert, bis ich so viel von meinen Vorleben erforscht hatte, dass ich in der Gegenwart leben kann. Es wurde auch Zeit …

An wie viele Leben können Sie sich insgesamt erinnern?

COCKELL: Das ist schwer zu sagen, denn oft erinnert man sich nur an Fragmente, die man nicht zusammensetzen kann. In einem der Leben war ich ein französisches Kind, das, wie ich es verstehe, in ein Dienstverhältnis verkauft wurde. Ich kann mich bruchstückhaft daran erinnern, dass ich in einem Haus arbeitete, aber ich weiß nicht genau wo. Wir haben unter Hypnose weitere Einzelheiten herausgefunden, die vielleicht dieses Leben betreffen, aber ich verlasse mich nicht sehr auf Hypnose. Ich denke, ich werde die Zusammenhänge dieses Erdenlebens nicht entdecken können. Abgesehen davon ist es sehr lange her … es sind nur Bruchstücke.

Ein anderes Leben, an das ich mich schon seit meiner Kindheit erinnere, war das als steinzeitlicher Jäger … vor furchtbar langer Zeit. Daran erinnerte ich mich als Kind sehr gern … diese Freiheit … Ich war ein männlicher Jäger!

Es sind also viele Erinnerungen – etwa an ein Duzend Erdenleben zu unterschiedlichen Zeiten.

Glauben Sie, dass im Verlauf dieser Leben eine Entwicklung Ihrer Persönlichkeitstattgefunden hat?

COCKELL: Der menschliche Persönlichkeitskern besteht unabhängig vom Körper. Ich war an diesem Thema sehr interessiert, weil ich mich viel mit Familienforschung und den genetischen Einflüssen auf unseren Charakter beschäftigt habe. Man kann Verwandte mit einigen ähnlichen Eigenschaften finden. Aber offensichtlich hat der Persönlichkeitskern, der von Leben zu Leben geht, nichts mit den Genen zu tun. Die eigentliche Person, die aus dem Inneren durchschimmert, entwickelt sich langsam – etwa so, wie man sich vom Kind zum Erwachsenen entwickelt. Auch im Erwachsenen steckt immer noch ein Teil des Kindes.

Der Persönlichkeitskern geht also von einem Leben zum nächsten, aber der Anteil an Überlagerung durch den Körper, den er als Erbe erhält, ist beträchtlich. Einfach gesagt: Wenn jemand eine bestimmte Hormonstörung hat, wird das sein Verhalten verändern. Hormone gehören zum Körper, aber wir müssen damit rechnen, dass sie zusätzlich zum Persönlichkeitskern wirken.

Es wäre interessant herauszufinden, wie viel von der Persönlichkeit wirklich aus dem Kern stammt. Ich glaube, der Anteil, den die DNA einbringt, ist beträchtlich höher, als wir das gerne hätten. Die Jacke, die man mit jedem Erdenleben anzieht, der physische Körper, beeinflusst, wie sich die Persönlichkeit darstellt. Die Lebenserfahrungen prägen sie dann zusätzlich. Frühere Erfahrungen beeinflussen die Art, wie wir mit Mitmenschen umgehen, wie tolerant wir beispielsweise sind. Man kann etwa eine Neigung zum Zorn aus einem früheren Leben mitbringen – Emotionen, von denen man nicht versteht, woher sie kommen. Jedes frühere Leben beeinflusst Sie also – genauso wie alle Dinge, die in Ihrem jetzigen Leben geschehen sind.

Die meisten Menschen sind sich dessen nicht bewusst. Aber, wie gesagt, ich glaube nicht, dass wir uns an vergangene Leben erinnern müssen. Es ist nicht notwendig, sich dessen bewusst zu sein, was uns geformt und zu der Persönlichkeit gemacht hat, die wir jetzt sind.

Warum nicht?

COCKELL: Es kann furchtbar viel sein, was man mit sich herumträgt. Es kann Dinge geben, die vom Bewusstsein besser ausgeschlossen bleiben, von denen man sich trennen sollte, auf die man unbewusst reagiert.

Es gibt Therapieformen, die Dinge aus der Vergangenheit ausgraben, noch bevor man bereit dafür ist, damit konfrontiert zu werden. Das kann kontraproduktiv sein. Es braucht Zeit, bis wir lernen, bestimmte Dinge zu verkraften, und das Tempo sollte unseren eigenen Möglichkeiten entsprechen. Wenn man viele Belastungen in dieses Leben mitbringt, Erlebnisse, die man nicht so leicht verkraften kann, möchte man sich nicht daran erinnern müssen. Ich glaube, man könnte sonst kein unbelastetes Leben führen.

Es gibt aber die Meinung: Welchen Sinn hat Reinkarnation, wenn man sich ja doch nicht erinnern kann?

COCKELL: Man braucht sich nicht zu erinnern, die Erlebnisse sind ohnehin Teil unserer Entwicklung und beeinflussen unseren Charakter. Ich denke, es gibt neben der physischen Evolution, die die Entwicklung der Lebewesen vorantreibt, auch eine seelische Evolution: Man schreitet voran, verändert sich, entwickelt sich. Das geht Hand in Hand und beeinflusst auch die Gesellschaft insgesamt. Und das ist gut so, denn die Weiterentwicklung von Gesellschaften hängt von den Veränderungen der Seele ab, von der seelischen Evolution.

Haben Sie den Wahrheitsgehalt Ihrer Erinnerungen eigentlich jemals angezweifelt?

COCKELL: Nein, nicht wirklich. Ich konnte schon als Kind nicht einfach akzeptieren, wenn andere Leute mir erzählen, dass das alles nicht real ist. Nein – es ist so!

Kann man denn überhaupt beweisen, dass solche Erinnerungen wahr sind?

COCKELL: Beweise für frühere Leben, wie sie manche Menschen für nötig halten, wird man nicht finden. An seine Versicherungsnummer oder eine Telefonnummer erinnert man sich nicht. Man erinnert sich an die Empfindungen während der Ereignisse, an Orte und bestimmte Einzelheiten, an Dinge, die geschehen sind. Solche Erinnerungen gibt es unglaublich häufig. Es sind nicht nur Einzelne, nicht nur Dutzende, sondern mehrere hundert, wahrscheinlich sogar Tausende Menschen, deren Erinnerungen an vergangene Leben erforscht wurden.

Die besten Forschungsergebnisse liefern Kinder, weil sie sozusagen näher an der Quelle sind. Sie erinnern sich am ehesten an Einzelheiten, denen man nachgehen kann, um deren vorherige Familie zu finden. Dann muss man die Erinnerungen des Kindes mit denen der Familie vergleichen, wobei es nicht um öffentlich bekannte Tatsachen gehen sollte, sondern um Dinge, von denen nur die Familie wusste.

Aber letztlich kann man Menschen nicht überzeugen, die sich nicht überzeugen lassen wollten. Und natürlich kann jeder seinen Standpunkt haben, solange er sich auf die Fakten bezieht, die vor ihm liegen. Wenn zwei Personen zu schlüssigen Fakten unterschiedliche Meinungen haben, ist das in Ordnung.

Die Forschung tut wahrscheinlich alles, was sie kann, um die Tatsache vergangener Leben zu beweisen, aber man wird niemals jeden überzeugen können. Manche Menschen finden den Reinkarnationsgedanken so unangenehm, dass sie auch eine Markierung, die jemand von einem Leben in das nächste mitnimmt, nicht als Beweis akzeptieren würden. Nehmen wir an, man könnte eine Art elektromagnetische Energie nachweisen, die von Inkarnation zu Inkarnation übertragen wird – auch das würde nicht jeden überzeugen. Also kann man nur sagen: Das ist geschehen, das habe ich erlebt, ich lege alles auf den Tisch – machen Sie sich Ihr eigenes Bild!

Deshalb schreiben Sie vermutlich Ihre Bücher …

COCKELL: Ja. Ich habe sie geschrieben, um Beweise zu liefern, aber auch, um alles aus mir herauszulassen, als reinigenden Prozess. Und um anderen Menschen, die Ähnliches erleben, eine Bestätigung zu geben, ihnen einige Methoden zu zeigen, die man anwenden kann, um Nachforschungen anzustellen, sie im nötigen  Selbstvertrauen zu stärken. Es gibt tatsächlich einige, denen es gelungen ist, ihre früheren Familien aufzufinden, die sich aber nicht sicher sind, ob oder wie sie mit ihnen in Kontakt treten sollen. Menschen bitten mich also um Rat. Das ist in Ordnung. Es geht ja darum, andere in ihrem eigenen Prozess, bei ihren eigenen Recherchen zu helfen.

Denken Sie, dass all die Erdenleben uns zu einem bestimmten Punkt führen?

COCKELL: Das wäre allerdings ein langer Weg. Vielleicht war ein Teil von uns, das, was später zu Bewusstsein wurde, schon da, als das Universum seinen Anfang nahm. Und möglicherweise wird unsere ganze Bewusstseinserfahrung auch einmal enden – dann, wenn alles endet. Aber unser Weg ist wahrscheinlich ein viel weiterer, als wir uns das vorstellen können.

Glauben Sie, es gibt ein Ziel für diese seelische Entwicklung?

COCKELL: Das Ziel könnte einfach sein, zu erfahren und zu verstehen. Ich habe nicht alle Antworten. Wir sind immer noch auf einer Reise und haben einen weiten Weg vor uns. Es ist spannend, all die Möglichkeiten zu durchdenken, wo uns das Leben hinführen mag. Vielleicht werden wir Menschen künftig besser miteinander verbunden sein, vielleicht auf einer unbewussten Ebene. Vielleicht sind wir es auch schon – ohne dass wir davon wissen …

Glauben Sie, dass die Gesellschaft die Reinkarnation heute besser akzeptieren kann als vor einigen Jahrzehnten?

COCKELL: Ich habe eine gewaltige Veränderung miterlebt. Als ich an die Öffentlichkeit ging, wurde das alles als sehr, sehr merkwürdig angesehen. Jetzt, denke ich, betrachten es viele Leute als etwas, das eben vorkommt, als recht normal.

Es gibt einige wunderbar dokumentierte Fälle, wo Eltern bemerkt haben, dass ihre Kinder über vergangene Leben sprechen und das durch entsprechende Fragen weiter erforschten. Nach dem Motto: Mal sehen, was dabei herauskommt …

Und sie machen das wirklich sehr gut, ohne lange nachzudenken. Sie wissen einfach instinktiv, wie sie die Erinnerungen des Kindes erforschen können. Das ist wirklich eine ganz andere Herangehensweise als damals bei mir. Viel besser!

Es gibt also Fortschritte?

COCKELL: Ja, es gibt Fortschritte. Wir kommen voran.

Vielen Dank, Jenny, dass Sie Zeit für uns hatten und uns an Ihren interessanten Erfahrungen haben teilnehmen lassen.

COCKELL: Ich danke Ihnen!

Interview: Jens Rohrbeck
Ein Beitrag von Werner Huemer

 

Hinweis: Die englische Originalfassung des Gesprächs finden Sie als Video hier.

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