Sharon Hewitt Rawlette: Die Hintergründe und die Bedeutung von Zufällen

Die Hintergründe und die Bedeutung von Zufällen | Sharon Hewitt Rawlette im Gespräch

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Sharon Hewitt Rawlette ist Doktorin der Philosophie (New York University), Bewusstseinsforscherin und Autorin. Angeregt durch eigene Erlebnisse hat sie sich intensiv mit dem Thema Zufall beschäftigt und 2019 ein Buch zum Thema veröffentlicht: „The Source and Sigificance of Coincidences“.

In diesem Gespräch geht es um die Hintergründe und mögliche Bedeutung von Zufällen, um schicksalshafte Ereignisse und darum, das menschliche Bewusstsein in einem größeren Rahmen zu sehen, der über den Tod hinaus reicht und auch möglicherweise auch mehrere Erdenleben umfasst.

Dr. Rawlette, bevor wir loslegen, möchte ich Sie kurz vorstellen. Sie sind Autorin, Philosophin und Forscherin. Sie haben Ihr Doktorat an der Universität von New York abgeschlossen, haben dann aber das Universitäre verlassen, um eine Karriere als Autoren zu starten. Sie haben begonnen, sich für die Literatur des Paranormalen zu interessieren. Sie schreiben auch in „Psychologie Heute“ über die Mysterien des Bewusstseins. Heute wollen wir über ihr interessantes Buch „Der Ursprung und die Bedeutung von Zufällen“ sprechen, das 2019 erschienen ist. Was hat eigentlich Ihr Interesse an Zufällen geweckt?

RAWLETTE: Nun ja, es war eine persönliche Erfahrung, die ich im Jahr 2015 gemacht habe. Ich hatte zuvor einige andere Erlebnisse mit Zufällen gehabt, aber dieses Erlebnis im Jahr 2015 hat mich dazu veranlasst, intensive Forschungen an diesem Phänomen zu betreiben, und das wuchs dann zu einem Buch heran. 

Was im Jahr 2015 passiert ist, geschah während eines Wochenendausflugs mit Freunden, den genauen Ort kannte ich nicht. Es war auf jeden Fall in den Bergen in Pennsylvania, wo ich selbst noch nie gewesen war. Wir waren auf der Suche nach einem Lebensmittelgeschäft und sind einfach umher gefahren und konnten kein Geschäft finden. Ich war mit einer Freundin im Auto, und sie hat ihr Smartphone rausgeholt, damit es uns das nächstgelegene Geschäft zeigt.

Da sie die Fahrerin war, gab sie mir ihr Handy, und als ich auf das Display schaute, zeigte es eine Liste von Geschäften in Pennsylvania an. Ich habe auf „Karte“ geklickt, damit ich alle auf einem Blick habe und ich somit erkennen konnte, zu welchem wir am leichtesten gelangen würden. Aber als die Karte geladen hatte, zeigte es mir komplett andere Geschäfte an. Es zeigte mir fünf Lebensgeschäfte in Frankreich. Ich habe den Namen von einer französischen Supermarktkette erkannt, denn ich hatte in Frankreich gelebt und erkannte, dass es sich um französische Ortsnamen handelte. 

Ich möchte Ihnen zum Hintergrund erzählen. An diesem Wochenende hatte ich viel über Frankreich nachgedacht, denn, wie gesagt, ich habe eine Vergangenheit dort. Ich hatte schon mehrere Jahre nicht mehr in Frankreich gelebt und verspürte den Wunsch, wieder zurückzugehen, und ich fragte mich, ob ich vielleicht eine Zukunft in diesem Land haben würde. Ich habe auch viel über meinen Ex-Verlobten nachgedacht, der Franzose war. Mit ihm hatte ich in Frankreich gelebt.

Diese Gedanken hatten mich dieses Wochenende begleitet – und plötzlich wurden hier Geschäfte in Frankreich angezeigt. Das war wirklich seltsam. Ich habe meine Freundin angeschaut und gesagt: „Ich weiß nicht, was ich damit machen soll. Das zeigt uns hier an das wir gerade in Frankreich sind.“ Ich habe ihr das Handy also wieder gegeben. 

Ich hatte das Handy vorher nie in der Hand gehabt. Das einzige, was ich getan hatte, war, auf „Karte“ zu klicken. Also hätte es nicht auf eine erklärbare Weise wissen können, worüber ich dieses Wochenende nachgedacht hatte. 

Das allein war bereits interessant, aber auch seltsam. Ich habe über dieses Erlebnis ein paar Tage lang nachgedacht. 

Als ich von dem Ausflug nach Hause kam, hatte ich noch die Namen der Orte im Kopf, die ich auf der Karte gesehen hatte. Aber ich konnte mich nicht mehr erinnern, wo genau in Frankreich das gewesen war. Vielleicht war es im französischen Teil Kanadas? Vielleicht war es am Ende doch nicht so ein großer Zufall.

Daher beschloss ich, den Ortsnamen zu googeln, um herauszufinden, wo sich der Ort genau befand. Und es kam heraus, dass der Ort in Frankreich, in der Bretagne war. Und das ist dort, wo ich mit meinem Ex gelebt hatte und er noch immer lebt. Als ich das sah, dachte ich: Wenn der Zufall so groß ist, dann muss da noch mehr dahinterstecken. Ich wette, es zeigte mir an, wo sich mein Ex-Verlobter an diesem Tag befand. 

Ich hatte seit Jahren keinen Kontakt mehr mit ihm gehabt. Ich war mit jemandem anderen verheiratet, daher wusste ich auch nicht, wo er war. Ich wollte ihm nicht schreiben, um es herauszufinden. Wir kommunizierten nicht mehr miteinander. Also dachte ich, dass ich ihn einfach mal googeln könnte, zusammen mit dem Datum. Er ist nämlich Autor und schrieb oft mal im Internet, was er so machen würde. Und tatsächlich! Ich kam auf die Seite seines Blogs, und er schrieb, dass er an dem Tag in einem Ort namens Kergloff in der Bretagne sein würde. Und als ich googelte, wo sich der Ort befand, fand ich heraus, dass sich der Ort nur 2 Meilen von dem Lebensmittelgeschäft befand, dass ich auf dem Handy gesehen hatte.

Das war der erste Zufall in meinem Leben, der so beeindruckend war, dass ich ihn in keiner Weise erklären konnte. Da passierte etwas, das über das hinaus ging, was wir über die Möglichkeiten des physischen Universums gelernt hatten. Und ich wollte herausfinden, was das war.

Zufälle werden oft als bedeutungslos und ohne Zusammenhang betrachtet. Sie sehen das anders. Sie sagen, dass sie uns eigentlich auf eine bedeutungsvolle Realität hinweisen, die weit über das hinaus reicht, was die Wissenschaft heutzutage messen oder als Phänomen akzeptieren kann.

RAWLETTE: Nun ja, ich würde sagen, dass Menschen Zufälle einfach unterschiedlich interpretieren.

Manche sagen, etwas ist nur Zufall und eben in keiner Weise bedeutungsvoll. Ich sehe das eher offen. Ein Ereignis könnte bedeutungsvoll, aber auch nicht bedeutungsvoll sein. Das ist die Frage, die wir uns stellen. Daher betrachte ich es eher neutral und frage: Gibt es einen Grund für die Annahme, dass hier mehr dahinter steckt? Das ist die Grundfrage, bevor wir starten und mit genaueren Nachforschungen beginnen.

Der Titel Ihres Buches lautet „Der Ursprung und die Bedeutung von Zufällen“. Was sind, zusammenfassend betrachtet, die wichtigsten Quellen von Zufällen, die Sie gefunden haben?

RAWLETTE: Es gibt sehr viele Quellen. Die erste, die ich in meinem Buch anspreche, ist die Wahrscheinlichkeit. Ich bin sehr an der Frage interessiert, wie wahrscheinlich Zufälle sein können. Also sehe ich mir das als erstes an, um zu entscheiden: Ja, das könnte eine mögliche Erklärung für bestimmte Ereignisse sein, die wir erleben – oder eben auch nicht. Es könnte mehr dahinterstecken. 

Eine andere wichtige Kategorie sind Zufälle, die durch übersinnliche Fähigkeiten entstehen, von denen wir vor dem Ereignis nicht wussten, dass wir sie haben … gut, einige wissen vielleicht doch, dass sie sie haben. Zum Beispiel die Fähigkeit, mit anderen Menschen telepathisch zu kommunizieren. Viele Leute haben solche Erlebnisse. Sie denken etwa an jemanden, und dann werden sie von der Person wie aus dem Nichts angerufen. Man hat zum Beispiel mit jemandem seit mehr als einem Jahr nicht mehr gesprochen, und dann ist die Person plötzlich am Telefon, gleich nachdem man an sie gedacht hat. Da ist es sehr wahrscheinlich, dass es eine telepathische Verbindung gab. Entweder hat man unbewusst gespürt, dass die Person anrufen würde und hat deshalb an sie gedacht. Oder man hat an die Person gedacht und hat sie dadurch veranlasst anzurufen. Es ist auch möglich, dass man gefühlt hat, was einem in der Zukunft passieren würde; man hat also Fähigkeit, ein künftiges Ereignis, zumindest auf einer unterbewussten Ebene, wahrzunehmen. Und man beginnt über diese Person nachzudenken, da man irgendwo spürt, dass die Person anrufen wird. 

Das ist wahrscheinlich die häufigste Art von Zufall, die Menschen erleben. Sie wird durch eine telepathische Verbindung ausgelöst oder eine präkognitive Fähigkeit, die uns oft nicht bewusst ist. Ich nenne das „Zufälle, die wir selbst auslösen“. Unsere eigenen Fähigkeiten lösen sie aus. 

Eine andere Art von Zufällen wird durch verstorbene Menschen ausgelöst. Es gibt oft Ereignisse, denen eine Kommunikation mit einem Verstorbenen zugrunde liegt, dem man auf irgendeine Art eng verbunden war. Man fragt vielleicht nach einem Zeichen und dann passiert plötzlich etwas, was zu dem Verstorbenen passt. Man sieht zum Beispiel ein Lieblingstier, den Lieblingsvogel oder etwas Ähnliches. 

Und es gibt viele Fälle beweiskräftiger Zufälle, die keine Einbildung sein können, interessante Bestätigungen, die uns zeigen, wo deren Ursprung liegt. 

Und dann ist da noch weitere Kategorie von Zufällen, die offenbar von Ungeborenen ausgelöst werden. Die betroffenen Menschen wissen über die Reinkarnation und vergangene Leben Bescheid –  es gibt ja viele Hinweise darauf, dass unsere Seelen existieren, bevor wir in unsere jetzigen Körper geboren wurden. Die Kinder, die wir haben werden, können mit uns über Zufälle kommunizieren – noch bevor sie geboren oder sogar noch bevor sie gezeugt wurden.

Welche derartigen Vorfälle sind Ihnen bekannt?

RAWLETTE: Ich denke, eine der besten Untersuchungen darüber stammt von japanischen Forschern, die sich dem Thema Reinkarnation widmen. Sie untersuchen spezifisch etwas, das sie Zwischenerinnerungen nennen, Erinnerungen aus der Zeit zwischen Inkarnationen. Kinder erinnern sich an die Zeit zwischen ihrem Tod in einem früheren Leben und der Geburt in das jetzige Leben. 

In einem Fall hatte eine Frau ihre kleine Tochter verloren. Sie war sehr krank gewesen, ich glaube, sie hatte Leukämie, und als sie im Sterben lag, sagte sie: „Ich werde dir einen Brief schreiben und ich werde fragen: ‚Bist du einsam?‘ oder ‚Geht es dir gut?‘“ Und dann starb ihre Tochter. 

Etwa fünf Jahre später bekam die Frau einen Sohn, und als er fünf Jahre alt war, kritzelte er auf einem Blatt Papier herum, und er sagte seiner Mutter: „Ich habe einen Brief geschrieben.“ Aber sie konnte es nicht lesen, es war ja eine Kritzelei, also fragte sie: „Was steht da?“ Und er sagte: „Es heißt: ‚Geht es dir gut? Bist du nicht einsam?’“

Es gab also diesen Hinweis, dass dieser Junge eine Reinkarnation des Kindes war, das sie verloren hatte. Aber das war noch nicht der Zufall. Das war nur der Hintergrund für die Geschichte.

Bevor das zweite Kind geboren wurde, hatte die Frau zunächst den Traum, dass sie im Fernsehen ihre Lieblingsband sah und diese ein Lied spielte, das sie noch nie gehört hatte. 

Am nächsten Tag schaltete sie den Fernseher ein – und da war wirklich diese Band, die das ihr unbekannte Lied spielte. Das weckte ihre Aufmerksamkeit. Der Liedtext dieses Songs beinhaltete sowas wie: „Es tut mir leid, dass ich dich verlassen musste, aber ich komme zurück zu dir.“ 

Da dachte sie sofort an ihre verstorbene Tochter und dass sie reinkarniert war. Und in der Woche darauf fand die Frau heraus, dass sie schwanger war.

Hier lag der Zufall in einem Lied oder auch in einem Traum, der sie auf das Lied vorbereitete. Und das Lied selbst scheint eine Kommunikation der Seele ihrer verstorbenen Tochter zu sein, aber auch der Seele ihres Sohnes.

Es handelte sich also um eine ganze Reihe von Ereignissen

RAWLETTE: Ja, und das gehört zu dem, was ich mit meinem Buch versucht habe, nämlich Fälle zu beleuchten, die wirklich beweiskräftig sind, deren Elemente unterschiedliche Bestätigungen erfahren, aber einander ergänzen. 

Viele von uns erleben Zufälle im täglichen Leben, die nicht so herausragend sind. Da ist beispielsweise ein Vogel, den wir sehen, der uns an unsere Großmutter erinnert, und wir denken, da ist etwas Merkwürdiges an diesem Vogel. Ich fühle, als wäre meine Großmutter bei mir, aber es ist vielleicht nur eine Einbildung. 

Was ich mit meinem Buch erreichen möchte, ist: Auch wenn man nicht alle Erklärungsebenen und Beweise hat, kann man ein Erlebnis in einem größeren Zusammenhang mit anderen Fällen betrachten. Das fördert das Vertrauen in die eigene Intuition und in das, was passiert ist. Es gibt diese Art von Kommunikation, der man sich mehr und mehr öffnen kann.

Ihr Buch ist ja vollgepackt mit Fallbeispielen. Gab es für Sie irgendwelche Geschichten oder Berichte, die Sie während Ihrer Forschungen besonders beeindruckt haben?

RAWLETTE: Eine der Geschichten mag ich deshalb so besonders, weil sie so rätselhaft ist in Bezug auf ihre Entstehung. Sie ist einem anderen Zufallsforscher passiert, Kirby Surprise. Ich liebe seinen Nachnamen …

Gibt es denn viele Zufallsforscher?

RAWLETTE: Nun, ja, ich habe eine große Büchersammlung. Es gibt um die fünfzehn oder zwanzig verschiedene Autoren, die sich mit dem Thema beschäftigt haben. Es gibt auch sehr viele allgemeine Sammlungen von Zufallsereignissen – und eben auch Forscher, die dieses Phänomen systematisch studieren. Ja, es gibt viele.

Viele Autoren, die Sie zitieren, sind entweder im Bereich der Parapsychologie tätig oder mit dem Thema Nahtoderfahrungen befasst. Aber es gibt offenbar auch Leute, die sich jetzt wirklich auf Zufälle konzentrieren.

RAWLETTE: Ich denke, dieser Bereich wächst. Ich bin Teil eines neuen Netzwerkes, das „Zufallsprojekt“ heißt. Es ist ein Netzwerk von Experten im Bereich Zufallsforschung. Manche haben ihre eigene Praxis, wie Therapeuten, Psychologen; sie arbeiten also mit Menschen, die Zufälle erlebt haben. Seit ein paar Jahren tut sich in diesem Bereich etwas!

Interessant!

RAWLETTE: In Zukunft werden den Menschen also viel mehr Ressourcen zur Verfügung stehen.

Ja, das ist sehr interessant. Aber zurück zu der Geschichte von dem Autor …

RAWLETTE: Kirby Surprise. Das ist in den späten 1970-ern passiert. Er saß eines Tages im Auto und wartete auf einen Freund, den er abholte. Der Film „Carry“ war damals herausgekommen, eine Art Horrorfilm, der davon handelt, dass jemand Dinge mit seinen Gedanken bewegen kann, Psychokinese. Nun, er hörte im Auto die Werbung für den Film im Radio, und er dachte: Wie wäre es, wenn ich Dinge mit meinen Gedanken bewegen könnte, genauso wie im Film? Außerdem hatte er auch einen Artikel im „National Enquirers“ gelesen, über jemanden, der ein Haus mit paranormalen Kräften zerstört hatte. 

Also saß er in diesem Auto, schaute zur anderen Straßenseite mit dem alten Haus und dachte: Wie wäre es, wenn ich jetzt dieses Haus zerquetschen würde?

Und als er auf das Haus blickte, begann plötzlich das Dach einzubrechen. Das Haus stürzte tatsächlich vor seinen Augen ein, und er dachte weiter: Okay, wenn das geht, dann möchte ich auch sehen, wie das Haus umfällt. Und schon bewegte sich das Haus, das Dach des Hauses bewegte sich in seine Richtung. 

Und dann plötzlich sah er einen Bulldozer hinter dem Haus hervorkommen, den er zuvor nicht hatte sehen können. Damit war klar für ihn, dass das Haus gerade niedergerissen wurde. 

Aber was ich so faszinierend finde, ist, nach der Quelle dieses Zufalls zu forschen. Denn man hat diese drei verschiedenen Ereignisse. Da sind das Haus, das einstürzt, und der Radiobeitrag über diesen Film, und diese beiden Dinge passieren zur selben Zeit. Und dann sind da noch seine Gedanken: Ich möchte sehen, wie das passiert.

Diese Gedanken scheinen nicht am Beginn der Ereignisse zu stehen, denn sie entwickelten sich aus dem Radiobericht. Außerdem: Wenn der Radiobericht oder seine Gedanken die Ursache für den Zufall sein sollten, dann müsste man in die Vergangenheit springen und irgendwie sicherstellen, dass genau dort ein Bulldozer sein würde. 

Vielleicht hat auch etwas in ihm gewusst, dass da ein Haus niedergerissen werden würde, dass er hier parken, Radio hören und sich das anschauen sollte …

Ich habe keine Erklärung gefunden.

Ein weiteres, besonders faszinierendes Kapitel in ihrem Buch befasst sich mit Engeln und Begleitern. Ich selbst habe vor etwa 15 Jahren das Buch „Engel sehen“ von einer englischen Autorin gelesen. Sie hat Menschen dazu ermutigt, ihre Geschichten über Begegnungen mit Engeln aufzuschreiben – daran hat mich jetzt Ihr Buch erinnert … an Fälle, wo ein Wesen anscheinend aus dem Nichts auftaucht, jemandem hilft und dann wieder verschwindet. Und man kann sich nicht erklären, warum das passiert ist. Ich war mir immer unsicher, ob ich das glauben sollte. Ihr Buchkapitel hat mich nun an diese Geschichten erinnert, die mir sehr rätselhaft erschienen.

RAWLETTE: Es ist unglaublich, wie viele solche Geschichten es da draußen gibt. Und es ist oft genau so, wie Sie es erzählt haben: Man macht seine ersten Erfahrungen, findet zum Beispiel ein Buch, liest es, und denkt: Nun ja, das klingt ein wenig schräg. Ich glaube nicht, dass das wirklich passiert ist. 

Aber dann spricht man mit einem anderen, dem das passiert ist, dann mit mehreren anderen Leuten, und man beginnt Muster zu erkennen. Zum Beispiel, dass ein Begleiter gerade dann auftaucht, wenn zuvor niemand da war, und dann wieder verschwindet. Oder man dreht sich um, und er ist weg, man weiß nicht, wohin er verschwunden ist.

Oder das Muster: Jemand kommt, um einem irgendwie zu helfen, und dann spricht man mit anderen Leuten, die ebenfalls anwesend waren, und sie haben die Person nie gesehen. Von solchen Begebenheiten hört man immer und immer wieder. 

Ein Grund, weshalb ich das Buch über Zufälle schreiben wollte, war auch, den Menschen mitzuteilen, dass sie nicht unbedingt so außergewöhnliche Erfahrungen machen müssen, wie etwa jemanden zu sehen, der wie ein Engel erscheint, oder dass jemand während eines Autounfalls gerettet wird, indem das Auto aufgehoben und umgedreht wird. Auch wenn man ganz normale Zufälle erlebt, kann das auf irgendeine Art und Weise helfen oder beschützen. Man sollte in Erwägung ziehen, dass es eine andere Art von Intelligenz gibt, die man nicht sehen kann, die einem aber hilfreich zur Seite steht. Darauf deuten alle diese Geschichten hin.

Im längsten Kapitel Ihres Buches geht es um die Verstorbenen. Wie belastbar sind, glauben Sie, die Hinweise, dass das Bewusstsein den physischen Tod überdauert? 

RAWLETTE: Ich finde die Hinweise sehr beeindruckend. Ein Grund, weshalb dieses Kapitel so lang ist, liegt auch darin, dass ich dachte: Bevor ich über Zufälle sprechen kann, die von Verstorbenen verursacht werden, muss ich über die Hinweise sprechen, dass es ein Leben nach dem körperlichen Tod gibt. Also habe ich auf etwa 30 Seiten verschiedenste Hinweise behandelt, die für das Leben nach dem Tod sprechen. Es gibt dabei mehrere Aspekte.

Gibt es davon welche, die nach Ihrer Meinung besonders herausragen?

RAWLETTE: Ja, natürlich. Es geht um die gesamte Konstellation von Ereignissen. Damit ich Ihnen einen Einblick geben kann, möchte ich die Hinweise in zwei Gruppen teilen: Die aus der Perspektive der dritten und die aus der Perspektive der ersten Person. 

Ein Leben nach dem Tod aus der Perspektive der dritten Person bedeutet, dass wir selbst das fortbestehende Bewusstsein einer verstorbenen Person wahrnehmen, etwa die Erscheinung eines nahestehenden Menschen. Diese Erlebnisse können mit Engelserscheinungen verglichen werden. Es kommt sehr häufig vor, dass Menschen jemanden sehen, der verstorben ist. Es gibt Erscheinungen, sehr lebhafte Träume über Verstorbene, Erlebnisse mit einem Medium und Nachrichten, die über ein Medium vermittelt werden.

Alle diese Fälle sind besonders relevant, wenn sie neue Information liefern. Die beweiskräftigsten Erscheinungen sind die, die jemand erlebt, noch bevor er weiß, dass der ihm erschienene Mensch gestorben ist oder in Gefahr war zu sterben. In vielen Fällen versuchen Verstorbene mitzuteilen, wie sie gestorben sind. Und dann denkt man sich: Aha, das habe ich nicht gewusst, dass Onkel XY in dieser Situation war, als er gestorben ist. 

Die Erscheinung bietet also neue Hinweise, die man sonst nicht bekommen hätte. Es muss sich bei diesen Informationen nicht immer um den Verstorbenen selbst handeln. Es kann auch um Informationen zu einem Testament gehen, also mit Geld zu tun haben.

In einem Fall, es handelte es sich hier um einen Traum, resultierten die Hinweise aus verschiedenen Aspekten. Es handelte es sich um einen Traum über eine Person, den zwei verschiedene Leute hatten. In ihren Träumen kamen ähnliche Elemente vor, wie etwa die Landschaft, oder die Art, wie die Person ihnen erschien. Aber die zentrale Nachricht, die in diesem Traum verpackt war, lautete, dass jemand Geld hinter der Wand an einem bestimmten Platz eines Hauses versteckt hatte. Der Witwe sollte mitgeteilt werden, die Wand mit dem Geld zu öffnen. 

Das war eine neue Information. Und mehrere Menschen haben die gleiche Erfahrung gemacht. 

Das passiert nicht nur bei Träumen, sondern auch bei Erscheinungen. Mehrere Personen können die dieselbe Erscheinung sehen, aber es kann auch vorkommen, dass Menschen eine Erscheinung gleichzeitig an unterschiedlichen Orten erleben, wobei ihnen zunächst nicht bewusst ist, dass auch andere Leute diese Erscheinung sehen. 

Es gab zum Beispiel den Fall einer Familie, wo der Vater verstorben war. Die Mutter schlief am Weihnachtsabend im Wohnzimmer, in der Nähe des Weihnachtsbaums, und sah eine Erscheinung ihres verstorbenen Mannes. Ihren beiden Söhnen erzählte sie aber nichts davon. Und am nächsten Tag – einer von ihnen musste zur Arbeit über Weihnachten, der zweite Sohn war zu Hause – erzählte ihr dieser : „Weißt du, es ist seltsam, aber ich habe Papa gestern in meinem Zimmer gesehen.“ 

Das war etwa zur gleichen Zeit passiert, als auch die Mutter die Erscheinung erlebte. Und dann kam der zweite Sohn von der Arbeit nach Hause und sagte: „Wisst ihr was, Leute? Ich habe Papa gestern in meinem Zimmer gesehen.“ In diesem Fall gab es also drei Personen, die nichts von den Erfahrungen der anderen wussten und die unabhängig voneinander die Anwesenheit einer Person erlebten.

War der Vater erst kürzlich gestorben oder bereits vor längerer Zeit?

RAWLETTE: Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich glaube, es ereignete sich im ersten Jahr nach seinem Tod, aber ich müsste mir den Fall nochmal ansehen, um sicher zu gehen.

Nein, schon klar. Ich dachte, es handelte sich um einen dieser Fälle, wo jemand erst kürzlich verstorben war und die Angehörigen noch gar nichts davon wussten.

RAWLETTE: Nein, ich hätte mich wohl klarer ausdrücken sollen. In der Familie wussten alle, dass der Vater tot war. Es ging darum, dass er um die Weihnachtszeit nicht da sein würde – und dann war er doch anwesend.

Also, es gibt diese Arten von Hinweisen auf ein Leben nach dem Tod aus der Perspektive der dritten Person: Erscheinungen und Träume. 

Aber es gibt auch Erlebnissen aus der Perspektive der ersten Person, also von Menschen, die selbst diese Erfahrung des Sterbens durchlebt haben. Ein gutes Beispiel wären hier etwa Nahtoderfahrungen, aber auch Kinder, die Erinnerungen an vergangene Leben haben. Viele erinnern nicht nur den Tod in ihrem vorherigen Leben, sondern auch die Zeit nach diesem Tod. Sie erinnern sich an vieles, von dem auch Menschen mit Nahtoderfahrungen berichten. Beispielsweile, dass sie den physischen Körper verlassen hatten oder dass sie in diesem Bereich als Seele verblieben sind und versucht haben, mit Menschen Kontakt aufzunehmen, was aber meistens nicht erfolgreich war. 

Das ist ebenfalls interessant, wenn man Zufälle studiert. Hinter wie vielen dieser Zufälle stehen Verstorbene, die versuchen, mit uns zu kommunizieren und nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie sich wünschen? 

Oft nehmen die Menschen nicht ernst, was sie erleben. Jedenfalls gibt es Kinder, die sich daran erinnern, dass sie versucht haben, nach ihrem Tod mit bestimmten Menschen zu kommunizieren. Oder sie erinnern sich auch an einen Zeitabschnitt, den sie quasi im Himmel verbrachten, zwischen ihren Leben, und dass sie andere Menschen im Himmel getroffen haben. 

Zum Beispiel war da ein kleiner Junge, der seiner Mutter erzählte, er habe einen Verwandten namens „Billy der Pirat“ getroffen, als er im Himmel war. Das klang etwas seltsam … Billy, der Pirat. 

„Billy, der Pirat, hat mir erzählt, dass er aus kurzer Distanz erschossen wurde, als er in den Bergen war. So ist er gestorben.“ Das erzählte der Junge seiner Mutter, und sie glaubte zunächst, er habe sich das alles ausgedacht, denn sie selbst hatte noch nie davon gehört, dass jemand mit dem Namen „Billy, der Pirat“ zur Familie gehört hätte. Aber dann sprach sie mit älteren Familienmitgliedern, die ihr bestätigten, dass es einen Cousin gegeben hatte, der sich so nannte und der in den Bergen erschossen worden war.

Es gibt also Kinder, die sich an Erlebnisse in dieser Zwischenwelt erinnern können, die dann bestätigt werden konnten.

Und dann gibt es auch Kinder, die sich an Dinge kurz vor ihrer Geburt und manchmal sogar vor ihrer Zeugung erinnern. 

Es gibt sogar eine ganze Sammlung von Geschichten, wo sich Kinder an den Moment ihrer Zeugung erinnern, was sicher etwas beunruhigend für manche Eltern sein kann. 

Einer meiner Lieblingsfälle war ein Herr, der sich an seine Zeugung erinnerte und davon seinen Eltern erzählte, als er etwa sieben Jahre alt war. Er wusste, dass es am Vordersitz eines Autos geschehen war, und auch welches Auto es war. 

Er ging zu seinen Eltern und formulierte es etwa so: „War ich mit euch am Vordersitz eures Autos?“ Sie wollten nicht mit ihm darüber sprechen, haben ihn abgewimmelt, aber die Erinnerung an dieses Ereignis begleitete ihn, und als er in seinen Zwanzigern war, fragte er seine Mutter nochmals mit Nachdruck: „Ich habe die lebhafte Erinnerung, dass ich in diesem Auto war. Papa und du, ihr wart am Vordersitz, und ihr habt diese Tür geöffnet und habt zum Rücksitz geschaut, um sicher zu gehen, dass meine Schwester schläft.“

Und sie bestätigte alles, woran er sich erinnerte – als er noch keinen Körper hatte, mit dem er verbunden hätte sein können. 

Wir haben also diese kontinuierliche Kette von Erfahrungen: Menschen, die das Sterben an sich erlebt haben, die von einem Leben kurz nach dem Tod berichten, die quasi im Himmel bewusst waren; Menschen, die von Ereignissen zwischen zwei Leben berichten und bewusst erlebten, was auf der Erde geschah, bevor sie einen neuen Körper erhielten. Wenn man dazu noch die Erfahrungen aus der Perspektive Dritter hinzu nimmt, dann wird es schwer, das alles einfach unter den Teppich zu kehren. Für mich ist es sehr eindeutig, dass das Bewusstsein weiter besteht, nachdem es den Körper verlassen hat.

Ich verstehe …

RAWLETTE: Das alles passt natürlich nicht gut zu dem Bild, das die Wissenschaft momentan zur Verbindung zwischen Bewusstsein und Gehirn hat. Aber genau deshalb müssen wir wissenschaftlich forschen und herausfinden, was da wirklich vor sich geht. 

Ja, ich glaube, der Philosoph David Chalmers war es, der vom „harten Problem der Bewusstseinsforschung“ gesprochen hat. Welche Lösung gibt es aus Ihrer Sicht für die Frage, wie Bewusstsein entsteht, was es ist?

RAWLETTE: Das harte Problem des Bewusstseins ist etwas, worüber die Philosophen des Geistes viel sprechen: Wie kann man mit physikalischen Begriffen erklären, was Bewusstsein ist? 

Was wir bezüglich des Bewusstseins erklären können, ist, was aus dem Bewusstsein resultiert, die Fähigkeit zu sprechen, Erinnerungen zu haben usw. Das sind Dinge, die wir mit dem, was in unserem Gehirn vorgeht, verknüpfen können. Aber egal, wie genau wir den physikalischen Zustand unseres Gehirns beschreiben, es gibt nichts in dieser Beschreibung, das erklärt, warum wir so fühlen und empfinden, wie wir es tun. Wenn wir beispielsweise etwas sehen, das rot ist: Warum haben wir dann dieses bestimmte Erleben, dass Ihr und mein Erleben von Rot ist? 

Oder warum schmeckt ein bestimmtes Essen so und nicht anderes? 

Es gibt die Ansicht, wenn wir einfach das Gehirn immer weiter erforschen, dann werden wir auch das herausfinden. Wenn wir mehr Daten darüber sammeln, wie neuronale Netzwerke und einzelne Neurone funktionieren, dann werden wir diese Fragen klären. 

Aber ich denke, das Problem geht tiefer. Wenn man nämlich untersucht, was eine bestimmte physikalische Eigenschaft ausmacht, dann handeln alle Beschreibungen davon, wie physikalische Dinge andere Dinge beeinflussen. Sie sind alle relational oder dispositional, wie man in der Philosophie sagt. Es geht also immer um die Art, wie die Dinge verbunden sind und einander beeinflussen, wie sich ein System weiter entwickelt. Aber wir klären nie, was eine Eigenschaft an sich ist, was ein Elektron an und für sich selbst ist … und das betrifft alle physikalischen Partikel.

Sie meinen also, dass man eigentlich immer nur beschreibt, was ein Elektron, ein Teilchen macht, welche Wirkung es ausübt – aber nicht, was es ist?

RAWLETTE: Richtig, es geht immer um die Physik – und darum, wie sich dadurch unsere Erfahrungen und Beobachtungen verändern. Man bekommt Informationen nur durch physikalische Experimente oder Untersuchungen. Mehr kann uns die Naturwissenschaft nicht bieten. Aber wir fragen nach dem Bewusstsein und was es bedeutet, ein bewusstes Wesen zu sein. Wir fragen nach mehr.

Und es scheint so, dass wir durch unsere eigene Erfahrung mehr erkennen können. Dabei geht nicht um den Einfluss auf andere, sondern um das innere Erleben, das durch physikalische Eigenschaften nicht beschrieben werden kann. Es geht um eine komplett andere Ebene. 

Ich verwende gerne eine Analogie, die ich auf meinem „Psychologie Heute“- Blog gepostet habe. Das Gleichnis einer Kalkulationstabelle: Unsere physikalische Erklärung der Welt entspricht einer komplizierten Tabelle, in der jede Zelle mit vielen anderen vernetzt ist. Was man in eine Zelle schreibt, verändert das Ergebnis in anderen. Die Tabelle zeigt alle Beziehungen zwischen den Dingen, wie sie sich gemeinsam entwickeln. Aber wenn wir keiner Zelle einen definitiven Wert geben, dann bleiben alle Zellen ohne Wert.

Wenn es also nur darum geht, wie bestimmte Werte miteinander verbunden sind, haben wir am Ende keine stichhaltige Erklärung von dem, was eigentlich vor sich geht.

Wir brauchen also noch eine andere Art von Eingabe für das System physikalischer Beziehungen. Und ich denke, dass dieser Input Bewusstsein ist. 

Ich glaube, dass unsere persönliche Welt-Erfahrung der einzige Weg ist, um das Körper-Geist-Problem zu lösen – aus der Sicht von innen her, aus der Perspektive des Bewusstseins.

Und woher kommt Bewusstsein? Momentan denkt man ja, dass unser Gehirn Bewusstsein erzeugt. Daher sterben wir, wenn das Gehirn stirbt.

RAWLETTE: Ja, genau. Aber ich denke, es ist umgekehrt. Dass das Bewusstsein zuerst kommt und dass unser Gehirn innerhalb des Bewusstseins besteht, dass im Grunde die gesamte physische Welt im Bewusstsein existiert. Das mag wie ein sehr revolutionärer Gedanke klingen, aber das wurde schon von Philosophen quer durch die Jahrhunderte beschrieben. 

Der berühmteste unter ihnen ist vielleicht Immanuel Kant. Er sagte im 18. Jahrhundert, dass unser Geist nicht in Raum und Zeit ist, sondern dass Raum und Zeit in unserem Geist sind. Der Geist stellt die Rahmenbedingungen bereit, damit wir Erfahrungen strukturieren können. Und ich denke, Kant hatte damit absolut recht. Je mehr wir versuchen, die physische Welt zu verstehen, vor allem mit den ganzen Hinweisen auf ein Leben nach dem Tod, auf ein Bewusstsein, das fortbesteht, desto näher kommen wir diesem Verständnis: Bewusstsein ist als erstes da, und diese physischen Erfahrungen, die wir machen, erfahren wir wie einen Traum innerhalb des bewussten Geistes. 

Träume sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Ich habe oft intensive Träume, in denen ich zum Beispiel physische Objekte berühre, und ich kann fühlen, dass sie da sind. Wenn ich luzid träume, dann ist mir bewusst, dass ich träume, und ich denke: Wow, das ist so beeindruckend! Dieses Handy fühlt sich wie ein richtiges Handy an, aber ich weiß, dass es ein Traum ist. Wie kann es sein, dass es sich so real anfühlt? Unser Bewusstsein hat also die Fähigkeit, die Illusion einer physischen Realität zu erzeugen. Ich denke, sehr wahrscheinlich ist es genau das, was passiert, wenn wir die physische Welt erleben – auch im sogenannten Wachzustand: Wir erleben eine Welt, die sich innerhalb unseres Geistes befindet.

Ja, wir erleben sicher sehr viel, was nicht zur physischen Außenwelt gehört: Unsere eigenen Gefühle, Emotionen, Gedanken … sie sind nicht da draußen. 

RAWLETTE: Ja, und ich würde sogar sagen, auch die Dinge, die extern erscheinen, sind letztlich in unserem Geist. Nicht in unserem Gehirn, aber sie sind Teil eines bewussten Geistes, der diese physische Realität träumt. 

Eine Gegebenheit, die für mich zwingend für diese Sichtweise spricht, ist, dass sie merkwürdige paranormale Erfahrungen erklären kann, zum Beispiel Erscheinungen von Toten. Bei diesen Erscheinungen ist schwer zu sagen, ob es sich um physische oder mentale Objekte handelt. Denn es gibt Erscheinungen, die von mehr als einer Person im selben Raum gesehen werden. Zum Beispiel sehen von fünf Personen drei die Erscheinung – aus drei verschiedenen Blickwinkeln, als wäre es eine richtige physische Person, aber die beiden anderen sehen gar nichts. Also handelt es sich um ein Objekt, das zumindest ein paar Menschen sichtbar präsentiert wird, das aber für andere unsichtbar ist.

Ich denke, so etwas ist viel einfacher zu verstehen, wenn wir die physische Welt als Teil der geistigen Welt betrachten. Demnach kann die Erscheinung im Bewusstsein von drei Personen physisch im Raum präsent sein, und trotzdem nicht im Bewusstsein der beiden anderen. Wenn wir auch das Physische als etwas im Geistigen Verankertes sehen, dann klären sich solche Mysterien.

Ihr Buch liefert viele Hinweise dafür, dass hinter dem Zufall mehr als nur zu-sammen-fallende Ereignisse stehen. Das ist doch eine erhebliche Herausforderung für das vorherrschende materialistische Weltbild, das von den meisten Wissenschaftlern vertreten wird, von Medien, Ärzten, Medizinern, Psychologen und Psychiatern.

RAWLETTE: Manchmal trifft man diese Leute privat und sie geben zu, dass es mehr geben könnte …

Ja, das hört man öfter. Alle Hinweise zusammengenommen, wohin könnte sich unser Weltbild, unser Verständnis vom Universum entwickeln?

RAWLETTE: Ich denke, dass es auf jeden Fall ein Weltbild sein wird, in dem Bewusstsein eine zentralere Rolle spielt. In der Philosophie, was natürlich der Bereich ist, mit dem ich mich am besten auskenne, gibt es viele interessante Entwicklungen, etwa zur Idee, dass wir Teil eines einzigen Bewusstseins sind, das einem kosmischen Geist entspringt. Panpsychismus lautet einer der Fachbegriffe dazu.

Die Vorstellung von einem zentralen Bewusstseins scheint zu dem Wandel zu gehören, der sich derzeit vollzieht und auch viele Wissenschaftsgruppen sehr interessiert. Zum Beispiel Informationswissenschafter, die der Idee anhängen, dass die Welt eine Simulation ist, eine Welt, die durch Information erschaffen wurde und eine Projektion von Informationen ist. 

Diesen Wandel habe ich während meiner beruflichen Tätigkeit erlebt, in den letzten zwanzig Jahren. Denn als ich die Geistesphilosophie zu erforschen begann, als Doktorandin, das war vor 15 Jahren, da stand man der Idee, alles habe ein Bewusstsein, noch nicht so offen gegenüber. Aber jetzt sprechen viele Leute darüber. Sie ist populärer geworden. Ich finde es spannend, dass man sie ernsthaft diskutiert.

Rupert Sheldrake, ein englischer Biologe, hat einmal die Frage gestellt: „Hat die Sonne ein Bewusstsein?“

RAWLETTE: Hat die Sonne ein Bewusstsein? Ich weiß nicht, warum er diese Frage ausgerechnet im Zusammenhang mit der Sonne stellen würde … Er hatte wohl seine Gründe, aber ich denke, es geht um die Annahme, dass alles ein Bewusstsein hat. Alles ist Teil des Bewusstseins.

Viele Menschen erfahren ja Schicksalsschläge in ihrem Leben. Sie verlieren einen geliebten Menschen, haben eine Unfall, eine Krankheit, verlieren den Job … es gibt Katastrophen, die einen enormen Einfluss auf unser Leben haben. Denken Sie, dass solche Ereignisse einfache Zufälle sind, oder haben sie eine tiefere Bedeutung?

RAWLETTE: Ich bin mir sicher, dass hier eine tiefere Bedeutung dahintersteckt, vor allem bei Zufällen mit einer großen Auswirkung auf unser Leben, sogar bei denen, die als negativ erscheinen. Wenn diese Zufälle wirklich die Richtung in unserem zukünftigen Leben ändern, dann ist das etwas, das geplant wurde und das aus einem bestimmten Grund passiert.

Ich glaube, dass manchen Menschen wirklich geholfen werden kann, wenn sie wissen, dass ein schreckliches Erlebnis, das ihnen widerfahren ist, geplant war. Manche Menschen sind nicht bereit, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen, denn es wäre für sie einfach zu fürchterlich, dahinter eine  allumfassende Intelligenz zu vermuten, denn ein Gott, der solches Leid zulässt, wäre nicht der, an den sie glauben wollen. Und es gab Momente in meinem Leben, wo ich mich auch so gefühlt habe. 

Tatsächlich aber gibt es viele Hinweise darauf, dass Schicksalsereignisse einem Zweck dienen. Dafür sprechen Erinnerungen an Nahtoderfahrungen ebenso wie an vorgeburtliche Erlebnisse, die eine Art Planungsprozess zeigen. Die Betroffenen konnten mit entscheiden, was in ihrem Leben passieren würde. 

Aber auch Zufälle deuten auf die Existenz von Kräften hin, die bestimmte Ereignisse zulassen können, wenn es wichtig ist, dass sie passieren. Selbst wenn uns also schlimme Dinge widerfahren, gibt es Hinweise auf eine höhere Intelligenz. Es gibt Wesen, die sie hätten verhindern können. Aber sie haben sie zugelassen, weil zuvor eine entsprechende Entscheidung getroffen worden war.

Lassen Sie mich ein Beispiel anführen. Es handelt sich um eine sehr nette, evangelische Frau, die ich – ich bin im evangelischen Christentum aufgewachsen – als sehr einflussreiche Predigerin in Erinnerung habe. Diese Frau hatte als Teenager einen schlimmen Tauchunfall, bei dem sie sich ein paar Wirbel gebrochen hatte, wodurch sie querschnittgelähmt war. Aber gerade durch ihre Behinderung hat sie viele andere Menschen inspiriert. 

Als dieser Unfall, ich glaube beim Sprung von einem Steg, passiert ist, waren viele Leute anwesend, aber niemand hat sie zu der Zeit beobachtet. Alle hatten ihr den Rücken zugewandt. Sie sprang also, verletzte sich und trieb sogar bewusstlos im Wasser. Währenddessen biss eine Krabbe in den Zeh ihrer Schwester, die auch anwesend war. Daraufhin drehte sie sich um, da sie Joany – das ist der Name der Dame – warnen wollte, auf die Krabben aufzupassen. Nur deshalb drehte sie sich um – und sah ihre Schwester im Wasser treiben. 

Dazu kommt, dass Joany gar nicht sichtbar gewesen wäre, hätte sie sich nicht in der vorangegangenen Nacht aus einer Laune heraus die Haare platinblond gefärbt. Zuvor hatte sie dunkles Haar gehabt – und damit wäre sie in diesem Wasser nicht zu erkennen gewesen. So aber sah ihre Schwester, als sie sich umdrehte, Joanys Haar an der Wasseroberfläche, wusste, dass etwas nicht stimmte und konnte sie retten.

Eine Reihe von Zufällen ermöglichte es also die Rettung. Ich denke mir: Wenn es nicht vorgesehen gewesen wäre, dass sie gelähmt werden sollte, dann hätten die Zufälle auch dafür sorgen können, dass sie sich nicht verletzt hätte. Aber alles war so konzipiert, dass sie lediglich überlebt. Und durch ihr beeindruckendes geistiges Wirken hat sie letztlich vielen Menschen geholfen. Joany ist jetzt in ihren Siebzigern und blickt auf ein Leben als Predigerin zurück, die durch ihre Querschnittslähmung viele Menschen dadurch berührt hat. 

Auch furchtbare Ereignisse, die uns widerfahren, können also dafür sorgen, uns auf einen bestimmten Lebensweg zu führen und uns ermöglichen, genau das zu erreichen, was wir erreichen sollen.

Leid hat demnach den Sinn, uns auf einen bestimmten Lebensweg zu führen. Aber es ist trotzdem schwer, und viele Menschen hadern mit ihrem Schicksal …

RAWLETTE: Ja, selbst wenn man weiß, warum man leiden muss, tut es weh. Es lindert vielleicht den Schmerz in einem gewissen Maß, aber Leid ist immer noch Leid. Wenn man etwa einen geliebten Menschen verliert und vielleicht auch ahnt, dass er immer noch existiert und dass man ihn im Jenseits wiedersehen wird, vermisst man ihn jetzt trotzdem sehr und wünscht sich, dass er noch in seinem Körper wäre – so, wie es immer der Fall war. 

Aber zu wissen, dass man begleitet wird und beschützt ist, dass es einen Plan für unser Leben gibt, dass eine geliebte Person weiterlebt, wenn sie stirbt … das alles kann schon sehr tröstlich sein, auch wenn sich das Leben deshalb nicht unmittelbar leichter anfühlt. Es ist noch immer schwer – und ich denke, auch das ist Teil des Plans.

Denken Sie, dass leidvolle Ereignisse dazu beitragen, innerlich zu wachsen – im tieferen Sinne?

RAWLETTE: Ich denke, das ist Teil des Sinns, der Idee dahinter. Also, wenn man es zulässt, dann ja. Leiden hilft uns oft zu wachsen. Und ich hasse diese Erklärung für den Sinn des Leidens. Als junge Erwachsene in einer evangelischen Gemeinde hörte ich zur Frage, warum es soviel Leid und Böses auf der Welt gibt, oft die Antwort: Nun ja, Gott verwendet das für seine eignen Zwecke. Und ich dachte mir: Das ist furchtbar. Das ist einfach eine faule Ausrede.

Aber durch meine eigenen Erfahrungen und meine eigenen Leidenswege habe ich auf eine neue Weise verstanden, was damit gemeint ist, denn auch wenn das Leiden schwer ist und weh tut, öffnet es Wege zu positiven Erlebnissen, vor allem zum Erleben von Liebe und zur Verbindung zu anderen Menschen. Man kann das vielleicht überhaupt nicht erleben, ohne Leid erfahren zu haben. 

Es scheint mir, als ob das Leid wie kaum etwas anderes dazu führt, uns zu öffnen. Wir leben in einer Art Hülle und streben nach all den Zielen, die uns als wertvoll vermittelt wurden. Wir wollen gute Menschen sein, die in uns gesetzten Erwartungen erfüllen. Aber wenn man Leid erfährt, dann zerbröselt all das. Was immer uns davon abhält, die Liebe Gottes oder des Universums oder wie immer man es nennen mag zu erfahren, all die Liebe, die auf der Welt gegenwärtig ist, fällt weg. Wir finden uns in einer neuen Art geöffnet.

Bevor ich selbst tiefes Leid erfahren hatte, dachte ich immer, dass es nichts auf der Welt geben könnte, das das tiefe Leid rechtfertigt, das manche Menschen erfahren. Ich fand keine Erklärung dafür. Aber nachdem ich diesen Prozess selbst durchlebte, entdeckte ich eine Schönheit und Liebe und eine Art Einheit mit Gott, die ich bis dahin nicht gekannt hatte. Diese Erfahrung war so tief und ergreifend, dass mir klar wurde: Ja, das ist es wert, zu leiden. Ich hatte keine Ahnung, dass es so etwas Großartiges überhaupt gibt. Und in diesem Begreifen wäre ich auch bereit gewesen, dieses Leid nochmal durchleben, nur um das zu erfahren. 

Ich glaube manchmal, unser Problem mit dem Bösen oder mit dem Leiden entsteht überhaupt erst dadurch, dass wir uns einfach nicht vorstellen können, wie großartig am Ende alles sein wird.

Was Sie sagen, erinnert auch an eine Hauptbotschaft von Nahterfahrenen: Dass es die tiefere Bedeutung unserer Existenz ist, lieben zu lernen. Dass der Zweck unseres Hierseins im Wort „Liebe“ schon eingebettet ist.

RAWLETTE: Ja, aber es klingt immer so kitschig, wenn man über Liebe spricht. Das Wort wurde einfach zu oft benutzt. Dennoch ist es wohl das beste, das wir uns momentan zur Verfügung steht, weil es das zum Ausdruck bringt, worum es geht. Aber man muss eigene Erfahrungen haben, um es wirklich zu verstehen. Weil es nicht nur darum geht, sich in jemanden zu verlieben. Es geht um etwas viel Tieferes, Allumfassenderes.

Sie haben davor auch etwas erwähnt, das Sie in einem Kapitel Ihres Buches thematisieren: Sie schreiben darin über das Böse und bösartige Wesen. Können auch solche Kräfte Zufälle bewirken und bestimmte Erfahrungen ermöglichen?

RAWLETTE: Ja, abgesehen von den schützenden und helfenden Begleitern und Wesenheiten gibt es scheinbar auch bösartige. Sie handeln nicht unbedingt in unserem Interesse. Bei manchen scheint es sich um Geister von Verstorbenen zu handeln, die negative Gefühle, die sie schon hier auf der Erde hatten, nicht loslassen können, etwa den Zorn auf bestimmte Menschen. Sie halten sich quasi immer noch hier auf und versuchen sich in das Leben der Menschen einzumischen. Einige Fälle bieten gute Hinweise darauf. 

Ich habe mich in dem Kapitel auch mit der Frage befasst, ob Menschen von bösen Geistern besessen sein können. Das ist ein sehr komplexes, aber wohl auch wichtiges Thema. Es regt zum Nachdenken darüber an, woher Zufälle, die wir erleben, kommen könnten. Dass sie manchmal auch irreführend sein könnten. 

Nur weil etwas übernatürlich oder paranormal ist, bedeutet das ja nicht, dass es gut oder zwingend ein Zeichen Gottes ist. Man muss das selbst beurteilen, seine eigene Intuition verwenden und auf sich aufpassen. 

Es ist sehr hilfreich zu beten – egal, ob man jetzt zu Gott betetet oder sich in Liebe zentriert und an positiven Absichten orientiert –, um bestimmte Erlebnisse tiefer zu ergründen. Man kann auch Wesenheiten, von denen man weiß, dass sie wohlwollend sind, um Antworten bitten – oder auch um Schutz. 

Das klingt vielleicht ein bisschen schräg und nach New Age, aber ich denke, es ist wichtig zu verstehen, dass nicht nur alles positiv und gut ist. Und dass man vorsichtig sein sollte.

Woran arbeiten Sie momentan? Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

RAWLETTE: Ich möchte noch tiefer in die Bewusstseinsforschung einsteigen, in die Theorie über die Beziehung zwischen dem Bewusstsein und der physischen Welt. Das ist ein großer Teil meiner derzeitigen Forschungsarbeiten – Möglichkeiten zu finden, die zu einem Paradigmenwechsel beitragen und Phänomene erklären, die von der Mainstream-Wissenschaft nicht ernst genommen werden. 

Wer sie ernst nimmt und versteht, dass solche Dinge wirklich existieren, benötigt ein neues Paradigma, um Erklärungen für diese Dinge strukturieren zu können. Daran arbeite ich mit anderen Forschern. 

Und ich interessiere mich auch sehr für die Forschungen zum Leben nach dem Tod. Ich ergänze ständig meine Liste von Hinweisen darauf. Das ist einfach ein unendlich faszinierendes Thema! Vielleicht wird es künftig ein eigenes Buch darüber geben! Wer weiß?

Dr. Rawlette, vielen Dank für die faszinierenden Einblicke in Ihre Arbeit und Ihre Gedanken. Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Erfolg! Herzlichen Dank!

RAWLETTE: Vielen Dank für die Einladung. Es war eine große Freude, mit Ihnen zu sprechen!

 

Interview: Jens Rohrbeck
Übersetzung: Katrin Salhenegger-Niamir
Redaktionelle Mitarbeit: Alexandra Grasmik

Redaktion: Werner Huemer

 

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